An den Dresdner Kunsthochschulen kehrt wieder Leben ein
Mit den ersten Lockerungen in der Corona-Krise wird seit dieser Woche schrittweise auch der Präsenzunterricht an den Dresdner Kunsthochschulen wieder möglich. Doch wie geht es den Studierenden und wie nehmen Sie die Brüche und Veränderungen ihres Studiums und der künstlerischen Ausübung wahr? Alexander Keuk hatte Gelegenheit, mit einigen von ihnen zu sprechen.
Eigentlich sollte jetzt schon auf der Probebühne der Dresdner Musikhochschule im Neubau an der Grünen Straße Tamino seine Pamina anflehen und Papageno dazu sein Lied auf der Flöte spielen. Wolfgang Amadeus Mozarts Singspiel „Die Zauberflöte“ wollten Studenten der Dresdner Musikhochschule aus eigener Initiative heraus erarbeiten und aufführen. Die Premiere im Wintersemester wird zwar weiterhin verfolgt, aber nun fanden sich die Sängerinnen und Sänger, die der Dirigierstudent Alexander Sidoruk zu Beginn des Projekts gewonnen hatte, vor Bildschirmen zu den Proben wieder und sind über die halbe Welt verstreut. Denn viele internationale Studierende waren zum Corona-Shutdown im März in den Semesterferien zu Hause in ihren Ländern und mussten es dann auch bleiben. Ein Opernquintett in einer Videokonferenz zu proben war dann auch eine ungewohnte Herausforderung für die Sängerinnen und Sänger, die aber natürlich diesen Strohhalm der Fortführung ihres Projektes annahmen. Mittlerweile haben die Kunsthochschulen in Dresden einen eingeschränkten und den Maßgaben entsprechenden Betrieb wiederaufgenommen. Für freischaffende Künstler gibt es ja Möglichkeiten der Grundsicherung und Förderung, aber wie ist die Lage der Studenten?
Beschäftigt scheinen alle und äußern sich auch erfreut über die wieder aufflammenden, im Detail auch stark veränderten und natürlich von behördlichen Vorgaben geprägten Aktivitäten. Denn das Semester hat wieder begonnen, und sowohl die Musikhochschule als auch die Hochschule für Bildende Künste scheinen nach Aussage der Studenten ihre Schützlinge im behüteten Blick zu haben, was ebenso den Fortgang der Ausbildung als auch die Lebenssituation angeht – von höheren Gewalten wie den immer noch bestehenden Reiseschwierigkeiten abgesehen. Direkter Unterricht mit dem Hauptfachlehrer ist seit Montag an der Musikhochschule wieder möglich – Alexander Sidoruk geht von der Hoffnung aus, die Zauberflöte im Herbst auch wirklich aufführen zu können. Mit seinem Dirigierlehrer, Professor Ekkehard Klemm, findet der Unterricht ebenfalls online statt und aus den Nöten werden Tugenden: da das gemeinsame Klavierspiel im Dirigierunterricht hier nicht übertragbar sei, lerne er stattdessen nun viel Theorie und Hintergründe über das Fach, so Sidoruk, trotzdem sei die persönliche Kommunikation in der Musik unersetzbar.
Der Bariton Mykola Piddubnyk geht sogar einen Schritt weiter und glaubt, „dass wir nach dieser Pause alle noch besser und kreativer werden“. Man hätte auch Zeit gefunden, seine innere Welt zu erneuern. Erstaunlicherweise hört man im Gespräch mit den Studentinnen und Studenten viele dieser positiven, Hoffnung machenden Worte. Die Entschleunigung scheint ihnen ebenso wichtig zu sein, wie sich der Herausforderung zu stellen, völlig neue Aufgaben lösen zu müssen. Kreativ werden auch die Fachinhalte neu befragt und entwickelt. So berichtet die Mezzosopranistin Constanza Filler, dass etwa im Fach „Bühnensprechen“ die digitale Umsetzung in der konzentrierten Beschäftigung mit Hörbüchern und Audiofiles viel intensiveres Erforschen des Themas zulasse. Sorgen bereite ihnen eher die Zukunft, auch nach dem Studium, so Jiyeon Kang, der als Korrepetitor an der Zauberflöte mitwirkt. Dass sich die Kulturlandschaft verändern wird, sagen alle einmütig und schwanken zwischen Ungewissheit und Neugier.
An der Hochschule für Bildende Künste sind die Studierenden des Studiengangs Bühnen- und Kostümbild bislang in der Praxis vernetzt gewesen und probierten sich dort in kleinen und großen Projekten aus – die fielen nun komplett aus oder sind eingefroren. Viele Studierende jobbten an den großen Theaterhäusern, auch diese Nebeneinkünfte sind nun weg. Die Praxis innerhalb der Freien Szene wird in Zukunft schwieriger sein, so die Sorge der Bühnen- und Kostümbildstudentin Hanna Zeyer, nicht nur, weil manche dieser kleineren Bühnen nicht überleben werden, sondern auch die Diversität im Kunst- und Kulturbereich gefährdet scheint.
Sie lobt aber auch ihre Hochschule – für Studierende in Not hätte der Freundeskreis der Hochschule einen Hilfefonds aufgelegt und die Professorinnen und Professoren sind bemüht, nicht nur den Unterricht fortzusetzen, sondern die Studierenden seien auch explizit aufgefordert, sich mit der Situation und ihrer Reflektion künstlerisch auseinanderzusetzen, so Zeyer. Dazu zählt etwa die neue Initiative „Hier und Jetzt“. Lisa Marie Baier, die aktuelle Stipendiatin des Förderprogramms „The Artist’s Advocat“, das die HfBK Dresden und die Staatlichen Kunstsammlungen gemeinsam im Rahmen des Deutschlandstipendiums vergeben, möchte die künstlerische Atelier-Arbeit im Stadtraum sichtbar machen. Auf fünf digitalen Stelen, die sich rund um das Residenzschloss und das Gebäude der Kunsthochschule befinden, werden im Wechsel Arbeiten von 23 Dresdner KünstlerInnen auf Bildschirmen präsentiert. Über einen QR-Code, der über das Smartphone eingescannt werden kann, erfahren Interessierte Zusatzinformationen über die Autorinnen und Autoren.
Die an der Hochschule ebenfalls studierende Malerin Anna Ditscherlein sagt, sie habe nach dem Shutdown zunächst zu Hause weitergearbeitet. Es gab für sie mehr Zeit, sich intensiver auch theoretischen Arbeiten und Recherche zu widmen. Dennoch sei sie froh, dass nun wieder die Hochschule an der Brühlschen Terrasse belebt sei – „man merkt ja auch, wenn das Haus wieder lebendig wird, und der persönliche Austausch mit den Kommilitonen hat mir schon gefehlt“, sagt sie. Anna Ditscherlein teilt sich ein Atelier mit drei weiteren Künstlern, die Abstände in den großen Räumen sind den Regeln konform.
Auch Hanna Zeyer kann wieder die Ausstattung der Hochschule für ihre Theaterarbeiten nutzen, der bisherige Online-Unterricht sei aber ebenso wertvoll und intensiv gewesen, meint sie. Über eine kritische und echte künstlerische Auseinandersetzung mit der Krisen-Phase zu berichten, ist es wohl noch zu früh – erst einmal sind alle froh, wenn die ersten Lockerungen ermöglichen, dass man seine Freunde wie auch seine Lehrer an der Hochschule wiedertreffen kann und dann auch selbst wieder einen Beitrag zum Wiederaufflammen der Kultur drinnen im Lehrgebäude wie auch unbedingt draußen in der Gesellschaft leisten darf – die künstlerische Auseinandersetzung, so das Fazit dieser Gespräche mit den Studierenden, ist jedenfalls nicht versiegt, im Gegenteil: sie trägt viel Hoffnung und Energie in sich.
- Das Oktogon an der Brühlschen Terrasse ist mit der aktuellen Ausstellung „CadEx2020. Surreale Maßnahmen für surreale Zeiten“ seit 8. Mai wieder für das Publikum zugänglich.
Fotos (c) privat
–
Auf mehrlicht befinden sich mehr als 600 Rezensionen, Interviews und Kulturfeatures. Wenn Sie als Leser*in mein werbefreies Blog mit einer kleinen Spende unterstützen wollen, freue ich mich sehr.
Kommentaren