Sinfonietta Dresden musizierte „Schnittpunkte“ online
Wenn ein aus freien Musikerkräften in Dresden bestehendes Kammerorchester eine eigene innovative Konzertreihe veranstaltet, die ein- bis zweimal im Jahr mit einem ansprechenden, alle Kräfte fordernden Programm aufwartet, so ist es um so bedauerlicher, wenn ein solches Konzert gleich zweimal der Pandemie zum Opfer fällt. So geschehen mit dem neuen „Schnittpunkte“-Konzert der Sinfonietta Dresden, das vom April in den November verschoben wurde, um nun erneut das Damoklesschwert über sich baumeln zu sehen.
Doch mit intensiven Bemühungen der kooperierend agierenden Musikhochschule konnte in letzter Minute eine Lösung gefunden werden, die der Musik zum Erklingen verhalf und sogar gut zweihundert interessierte Zuhörer online anlockte: kurzerhand wurde die Hochschulveranstaltung, die ja als Prüfung für die teilnehmenden Studierenden ohnehin durchgeführt wurde, gestreamed und man konnte sich auf diese Weise samt einer moderierten Einführung einen anregenden Abend zu Hause verschaffen. Für die Musiker, die sich am Montagabend im Konzertsaal der Musikhochschule Carl Maria von Weber sichtbar anstrengten wie vor einem vollen Haus war es eine dankbare Möglichkeit, das bislang im Stillen Geprobte nun auch zur Vollendung zu bringen. In der im letzten Jahr gestarteten Konzertreihe „Schnittpunkte“ erklingen neben allen fünf Klavierkonzerten des Jubilars Ludwig van Beethoven weitere Stücke aus der Beethovenzeit, eine Uraufführung einer oder eines Studierenden der Musikhochschule sowie eine zeitgenössische Komposition aus den Partnerstädten Dresdens.
Der Zeitgenosse Beethovens war diesmal Johann Gottlieb Naumann, dessen Sinfonie D-Dur von Alexander Ebert dirigiert wurde – ein munteres Werk ohne große Schwierigkeiten, das in seiner filigranen, offen liegenden Struktur dem Ensemble gut in den Fingern lag. Ganz anders „terra pinguis“ des Österreichers Johannes Maria Staud, einem Komponisten, der als einer der ersten „Capell-Compositeure“ der Sächsischen Staatskapelle öfters in Dresden zu hören war. Das Stück weist noch hinter die Klassik zurück in Sphären der barocken Alchemie, gemeint ist mit „terra pinguis“ die „fette, schwefelige Erde“ aus den Schriften von Johann Joachim Becher. Solcherlei Naturerkundungen setzten bei Staud einiges an musikalische Inspiration frei und Phänomene wie Wärme, Hitze, Verbrennung, Verdampfung konnte man nun in dem phantasievollen Stück plastisch verfolgen, denn Dirigent Jan Arvid Prée hauchte dem erst im letzten Jahr uraufgeführten Werk ordentlich Leben ein, mehr noch: da war ein Brodeln zu spüren, das zwar verbal schwer darstellbar ist, sich aber in immenser musikalischer Energie verlautbarte. Auch die Sprachäußerungen der Musiker wirkten völlig natürlich dem dramatischen Fluss der Musik zugehörig, wie ein Lava- oder Feuerstrom wälzten sich die Noten immer wieder um.
Danach sorgte die Uraufführung von Jadwiga Maria Frejs „Solange es draußen weht“ für einige Beruhigung, da nun auch die Musiker im Saaldunkel spielten. Lichtlosigkeit und Wind waren im Werk selbst eher wenig erkennbar, vielmehr ging es wohl um Kommunikation der Instrumentalisten und am Ende auch um eine Art neu zu (er)findender Harmonie. Dionysos di Pantis behielt da die Übersicht vom Dirigentenpult aus und die Sinfonietta sorgte sich vor allem im ersten Abschnitt mit zwei schneidend hohen Geigenstimmen um eine packende Klangkultur.
Von dieser hätte man sich auch im abschließenden Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur von Ludwig van Beethoven eine Fortsetzung gewünscht, doch genau diese Übertragung gelang diesmal in die Welt der Wiener Klassik nur bedingt: von der südkoreanischen Solistin Jieun Kim vernahm man eine sehr korrekte, stets freundliche Interpretation, die sich nur in der Kadenz im 1. Satz einmal einen Ausflug in ein beinahe freiheitliches Musizieren erlaubte, und Georg Christoph Sandmann als musikalischer Mentor des Abends wollte hier die sichere „terra“ wohl auch nicht verlassen, das Ergebnis war ein etwas zähes, eskapadenfreies Klangbild, wobei man sich aber jederzeit über die klangschöne Ausgestaltung im Orchester freuen durfte.
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