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Irgendwo ziehen leise Gestirne

Daniele Gatti und Frank Peter Zimmermann im Kapell-Konzert

Man muss es als Lichtblick werten, auch wenn es in erneut unsicherer Zeit geschieht: die Staatskapelle Dresden hat tatsächlich ihr für die Saison geplantes 7. Sinfoniekonzert (die Zählung ist natürlich obsolet) gespielt, wenn auch mit den schon bekannten Einschränkungen: Abstand wurde gehalten, das Publikum fand sich am vergangenen Freitag vor den Radioempfängern bei MDR Kultur statt in der Semperoper ein, und die für dieses Konzert geplante Würdigung des Capell-Compositeurs Giuseppe Sinopoli wird hoffentlich in späteren Zeiten nachgeholt. Doch der Schumann-Schwerpunkt des Konzerts konnte ebenso beibehalten werden wie das Gastspiel von Dirigent Daniele Gatti samt der Interpretation des Violinkonzerts in d-Moll von Robert Schumann durch den großartigen Geiger Frank Peter Zimmermann.

Frank Peter Zimmermann

Beide sind der Kapelle seit Jahren verbunden und so war es kaum verwunderlich, dass sich selbst in diesem sehr selten aufgeführten Solokonzert, das Schumann als eines seiner Werke vor den letzten Lebensjahren in der Nervenheilanstalt Endenich schrieb, gleich ein vertrauter, partnerschaftlicher Grundton zwischen Orchester, Solist und Dirigent einstellte. Nimmt man das zweite Werk dieses Radiokonzerts, die „Rheinische“, dritte Sinfonie Schumanns hinzu, so wurden hier zwei grundverschiedene musikalische Welten des Komponisten betrachtet. Das Violinkonzert wurde auch nach Schumanns Tod nicht veröffentlicht, Clara Schumann und Johannes Brahms hielten es zurück, erst 1937 erfolgte eine posthume Uraufführung.

Doch bis heute hat das Stück kaum im Welterfolgscharakter etwa des Klavierkonzerts a-Moll gleichgezogen. Es ist introvertiert, zuweilen düster und gestattet, so Frank Peter Zimmermann, eben auch den Blick in den Abgrund der Seele. Das ist eine besondere Herausforderung in der Interpretation, aber auch beim Zuhören stellt sich einige Male der Gedanke ein, dass die karge Begleitung des Orchesters oder die beinahe vertuschend grimmigen Figurationen der Solovioline nicht sofort ins Ohr möchten. Zimmermann hat das Konzert schon Dutzende Male gespielt, mit vollem klanglichen Einsatz befragt er jedes Motiv nach Aussage, Tiefgründigkeit oder ordnet es wie im halsbrecherischen Finale in die Bewegung ein, wobei der Schlusssatz als tatsächlich knapp zu langsam wirkende Polonaise erst in der Zurücknahme seine ganze Wirkung entfaltet und der zweite Satz eigentlich im auskomponierten Auseinanderdriften von Orchestercello, Geige und Begleitung erdentrückt klingt: irgendwo ziehen leise Gestirne in dieser seltsam faszinierenden Partitur.

Wenn Zimmermann sich Freiheiten erlaubt, dann sind dies kleine Unterstreichungen von harmonischen Wendungen, ist es eine motivisch sorgsame Betonung, und auch wenn im 1. Satz immer wieder bedrohliche Aufschwünge anrollen, liegt Zimmermanns Schwerpunkt im Ausspielen der vielen sanften Bereiche dieses Werkes, selbst die rasanten letzten Takte klingen in seinen Händen völlig natürlich, denn ist einmal auch das tiefe Vertrauen in das Werk gegeben, dann teilen sich auch die weiland noch unspielbar genannten Passagen als unabdingbar zugehörig mit.

Daniele Gatti

Dann die ersten Takte der „Rheinischen“ Sinfonie: Düsseldorfer Bodenständigkeit und Feier der Natur trifft hier als „Manifest der Romantik“ (Gatti im Radio-Interview) auf eine Rheinfahrt im 2. Satz, ein Notturno und die Mächtigkeit des Kölner Doms im choraldurchsetzten 4. Satz. Solcherlei Phantasieren ist bei Schumann durchaus erlaubt, Poesie, Literatur und Naturerlebnis stehen in diesen Tönen eng beieinander. Gatti agiert hier nicht so extrovertiert und impulsiv, wie man ihn schon am Kapellpult erlebt hat, ein „nicht zu sehr“ bestimmt die Interpretation, was etwa den auch in der Besetzung reduzierten, kammermusikalisch gedeuteten 3. Satz vergoldet.

Eine leicht offizielle Festlichkeit bleibt jedoch in den Ecksätzen als Eindruck bestehen, aber wie würde diese Sinfonie auch erst klingen, wenn alle Tore wieder offen sind und dieses Schumann-Kapell-Es-Dur frei ins Rund der Oper strahlen darf? Einstweilen ist dieses Schumann-Konzert hörbares und hörenswertes Zeugnis eines Zwischenraums des Noch-Nicht, aber auch des Immerhin.

Fotos (c) Matthias Creutziger

 


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