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Ein Mobile erregter Klänge

Sinfoniekonzert der Dresdner Philharmonie

Klangfarben und Bewegungen standen im Mittelpunkt des Sinfoniekonzertes der Dresdner Philharmonie im Kulturpalast am Sonnabend. Damit ging es sowohl um Musik des 20. und 21. Jahrhunderts wie auch um explizit für die Bühne entstandene Ballettmusiken. Interessanterweise war das zwanzig Jahre vor Prokofjew entstandene Ballett „Parade“ von Erik Satie um einiges moderner als dessen „Romeo und Julia“-Vertonung – Prokofiews wilde Jugendjahre wichen später einem gebändigten, klassizistischen Stil, dem wir aber solch berühmte Musiken wie die zu Shakespeares Drama verdanken.

„Parade“, das merkwürdigerweise noch nie bei der Philharmonie erklungen ist, ist eines der wenigen Werke für Orchester von Erik Satie, der durch seine tiefsinnig-humorigen Experimente und quasi als (siebtes) Vater-Mitglied der Künstler Gruppe „Les Six“ für die Chocs in Paris sorgte – auch mit diesem Ballett nach Jean Cocteau, an dem natürlich die Ballets Russes beteiligt waren und ein gewisser Pablo Picasso für Kostüme, Vorhang und Bühnenbild verantwortlich war. Der damalige Skandal war insofern perfekt, da nicht nur die kubistischen Bilder und Szenen Anstoss erregten, sondern Satie dazu im Orchester ein Lotterierad, Sirenen, Flaschenspiele, Schreibmaschinen und Pistolen auffuhr – im Kulturpalast leidenschaftlich von Philharmoniepercussionist Alexej Bröse interpretiert. Lediglich die Schießerei wurde jahrmarktsgerecht durch zerstochene Luftballons ersetzt.

Maxime Pascal und die Dresdner Philharmonie

Und auch das Publikum verfehlte seinen zur Meuterei und amüsierte sich stattdessen prächtig über diese Musik, die auch so gar nicht klassisch sein will. Der französische Gastdirigent Maxime Pascal hatte nicht viel Mühe mit dem Orchester, allerdings hätten viel schärfere Konturen der Partitur in den Phrasierungen gutgetan, um sich von orchestralem Debussy-Gewölke mehr abzugrenzen. Das „Bewölkte“, schließlich sogar geräuschvoll Undeutliche war im folgenden Stück tatsächlich das absichtsvolle Programm: Composer-in-Residence Rebecca Saunders hatte für die herausragende Geigerin Carolin Widmann 2011 ein Violinkonzert komponiert, das in enger Zusammenarbeit mit der Interpretin auf eine Kurzgeschichte von Samuel Beckett entstand: „Still“ heißt das Werk, das in zwei Sätzen unterschiedliche Erregungszustände erkundet.

Das allein stellte schon eine Herausforderung beim Hören dar, denn eigentlich gab es keinen Anfang und Ende, sondern eine Art Mobile zu bestaunen, an dem verschiedene Klangzustände hingen und betrachtet werden konnten. Der bei der Philharmonie schon mehrfach gefeierten Violinistin Carolin Widmann, die übrigens auch vor ihrem Auftritt zu einer spannenden Konzerteinführung zu dem Stück beitrug, gelang diese 16. Aufführung (ein Achtungszeichen ist hier fällig, denn oft genug werden Stücke nach der Uraufführung auch zu schnell wieder beerdigt…) des Violinkonzertes von Saunders mit großer Aufmerksamkeit für die vielen Klangereignisse, die vermutlich bei jeder Aufführung neu und minimal anders entstehen, weil sie sich in Grenzbereichen von Obertönen und Geräuschen abspielen. Das ist sicherlich gewöhnungsbedürftig, wurde aber vom philharmonischen Publikum sehr interessiert aufgenommen und gerade der zweite Satz erinnert dann auch bewusst an klangliche Welten, die entschwunden scheinen – mit einem Gruß an Alban Bergs Violinkonzert schließt das Stück.

Nicht ganz so zufrieden konnte man hingegen hier mit dem Orchesterklang sein. Das ungewöhnliche und schwere Stück hatte phasenweise zwar eine gute Spannung, in der Balance und den Einzelaktionen waren aber von lau gespielt bis zauberhaft alles dabei. Und so richtig zufrieden konnte man auch nach der Pause nicht sein, als die zweite Orchestersuite aus Sergej Prokofievs Ballettmusik auf dem Programm stand. Natürlich bemühten sich alle um die bestmögliche Interpretation dieses bekannten Werks. Allein ein Dirigent, der offenbar im fortissimo mit den Armen Flugzeuge einzuweisen scheint und wie im Satie jegliche Prägnanz gerade im Rhythmus vermissen ließ, führte hier nicht zu besten Ergebnissen, so dass man nur in den langsamen und leisen Sätzen das berühmte Liebespaar schwelgen hören durfte.

Fotos (c) Simon Porath und Alexander Keuk


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