Gestern abend fand eine denkwürdige Aufführung der Strauss-Oper „Die Frau ohne Schatten“ an der Wiener Staatsoper statt. Der Satz könnte fast eine Floskel sein, denn die Oper allein ist so riesig, dass man kaum einmal ohne eine denkwürdige Aufführung in jeglicher Hinsicht entlassen wird. Steht dann noch Christian Thielemann am Pult und ist ein so exzellentes und auf das Stück perfekt passendes Sängerensemble am Start, und wird dann auch noch der Dirigent zum Ehrenmitglied des Hauses ernannt, so ist das Prädikat denkwürdig mehr als angebracht.
Die Oper wurde als Wiederaufnahme in der Inszenierung von Vincent Huguet (Premiere 2019) gezeigt, und nach diesen laschen Bildern hätte ich mir lieber eine konzertante Darbietung gewünscht, da das Hauptaugenmerk sowieso auf Stimmen und Orchester liegt. Oder die bunte Inszenierung von rosalie, damals an der Semperoper, dirigiert noch von Giuseppe Sinopoli, da wurde man wenigstens auch visuell in ein Märchen entführt. Doch mit luxuriösem Blick aus der Seite des 2. Rangs in den Orchestergraben ausgestattet, konzentrierte ich mich schnell auf die auditiven Höhenflüge dieser Aufführung, und was das Staatsopernorchester mit Thielemann da anrührte, war exzellent, lustvoll, in ständiger Hochkonzentration und natürlich immer mit und für die Sänger in Balance gebracht.
Dementsprechend – bevor ich hier zur Pressemitteilung der Ehrung überleite – gab es schon nach den ersten beiden Akten großen Jubel, und musikalisch war diese Darbietung in ihren leisesten und lyrischsten ebenso wie in entfesselten Passagen phänomenal. Krasse Bläserchoräle, die Cello- und Violinsoli im 2. und 3. Akt zum Niederknien schön gespielt und dazu ein (stehend-sitzend-liegendes) Sängerensemble, das sich dank der Regieverweigerung voll auf die Stimmen konzentrieren konnte und im Schlussquartett noch immer mit voller Kraft stürmte. In vielen Aufführungen haben sich Orchester und Dirigent über Jahre natürlich auch so dermaßen gegenseitig vertrauend in das Stück vertieft, dass hier Nuancen und Balancierungen möglich waren, die man kaum je in diesem Werk vernimmt, weil oft bei der bloßen Organisation der Klangmassen zumeist das Ende der Gefühle erreicht ist. Insofern: pures Glück, wer am Sonnabend dabei war (die live übertragene Radiosendung ist noch eine Woche verfügbar, siehe unten).
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Die Staatsoper teilte heute mit: „Mit lang anhaltendem Jubel wurde am gestrigen Samstag, 14. Oktober 2023, die Wiederaufnahme von Richard Strauss’ Die Frau ohne Schatten an der Wiener Staatsoper gefeiert. Im Beisein des Publikums versammelten sich nach der Vorstellung neben den Solisten wie Elza van den Heever (Kaiserin), Andreas Schager (Kaiser), Elena Pankratova (Färberin), Michael Volle (Barak) und Tanja Ariane Baumgartner (Amme) auch zahlreiche weitere Mitwirkende und Weggefährten auf offener Bühne, wo der Dirigent des Abends, Christian Thielemann, zum Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper ernannt wurde.
Die Ehrung wurde von Staatsoperndirektor Bogdan Roščić vorgenommen, anschließend überreichte Theresia Niedermüller, Sektionsleiterin für Kunst und Kultur im BMKÖS, dem Dirigenten die entsprechende Urkunde. Außerdem erhielt der den Ehrenring der Wiener Staatsoper aus dem Hause Juwelier Wagner.
Der Direktor der Wiener Staatsoper Bogdan Roščić gratulierte: »Christian Thielemann hat an der Staatsoper seit vielen Jahren einen ganz besonderen Platz und ist ihr in besonderer Weise verbunden – nicht zuletzt durch seine so enge Beziehung mit dem Orchester, sowohl auf den wichtigsten Konzertpodien der Welt wie auch im Graben der Oper selbst.«
Anschließend ergriff Thielemann selbst das Wort: »Mit kaum einem Opernhaus bin ich so eng verbunden wie mit der Wiener Staatsoper. Ich habe dort unvergleichliche Abende erlebt. Ich fühle mich sehr geehrt, für mein Wirken nun die Ehrenmitgliedschaft und den Ehrenring zu erhalten.«
Christian Thielemann debütierte 1987 mit Così fan tutte an der Wiener Staatsoper und dirigierte hier in weiterer Folge u. a. Premierenproduktionen von Tristan und Isolde, Hänsel und Gretel und Die Frau ohne Schatten, eine Musikalische Neueinstudierung von Die Meistersinger von Nürnberg sowie den gesamten Ring des Nibelungen.
Mit der Wiederaufnahme von Die Frau ohne Schatten am 14. Oktober stand er bei seinem 59. Staatsopern-Abend am Pult. In dieser Spielzeit wird Christian Thielemann noch bis 24. Oktober mit Die Frau ohne Schatten sowie im April/Mai 2024 mit der Premierenproduktion von Lohengrin zu erleben sein.“
Pressemitteilung, der Wiener Staatsoper, Fotos © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn
* Die Aufführung wurde live vom ORF im Radio übertragen und ist in der Ö1 Mediathek noch sieben Tage anhörbar.
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