Bereits zum dritten Mal habe ich das WAVES Festival in Wien besucht, das am vergangenen Wochenende an drei Tagen in der 14. Ausgabe stattfand. Aus terminlichen Gründen kam diesmal nur der Freitag als Besuchstag in Frage, was schmerzlich ist, da ich zwei Festivaltage und somit möglicherweise viele spannende Gigs der insgesamt 100 (!) Teilnehmer verpasste. Die Erfahrung aus den letzten Jahren zeigte aber auch, dass man selbst an einem Abend in einen musikalischen Vollrausch geraten kann, weil die Gleichzeitigkeit der Auftritte und die persönlichen Vorlieben (erst recht in Begleitung) zu einer logistischen Höchstleistung herausfordern.
Also wurde auch in diesem Jahr sorgfältig im Voraus das Programm gecheckt und youtube und instagram nach den interessantesten Bands durchforstet. Das gelingt dank App und mithilfe von Soundschnipseln und Texten zu den Bands vorzüglich (das Line-Up findet sich weiterhin auf der Website von Waves Vienna). Die Venues wiederum sind auch in diesem Jahr wieder in den Clubs am Gürtel wie an einer Perlenkette aufgefädelt, lediglich das B72 erfordert einige Schritte, die aber zum Durchlüften am noch hochsommerlichen Septemberabend in Wien willkommen waren.
Waves präsentierte auch diesmal wieder ein sorgsam breit aufgestelltes, gut kuratiertes Entdeckerparadies und wird sicher seinem Ruf als Sprungbrettfestival für etliche Künstler gerecht. Falls nicht, hatten sie in jedem Fall eine gute Zeit in Wien, das belegen eindeutig die Rückmeldungen der Bands, die neben der reibungslosen Orga auch das neugierige und mitgehende Wiener Publikum lieben. Über die Bandbreite kann ich indes wenig sagen, da wir ja nur einen Ausschnitt mitbekamen, der aber war zwischen Folk, Pop und Punkrock auch schon ordentlich quergestreift und vor allem: handmade.
Doch nun in medias res. Der Freitag war so randvoll gepackt, dass wir bei einigen Bands nur kurz durch die Tür schauen konnten, bei den meisten hörten wir aber zwei bis drei Titel, und natürlich blieben wir bei den Favourites länger kleben. Interessant war wieder die Erfahrung, dass die beste Vorbereitung trotzdem Überraschungen birgt, denn manche Bands tischen einem glatt mit jedem neuen Song Stilvariationen auf, was nichts Schlechtes bedeuten muss.
Los ging es punkt halb acht im Fania Live mit Insan Insan, eine orientalisch gefärbte Popmusik, die eine schöne Atmosphäre hatte. Drüben im Loft freute sich derweil Lukas Oscar (AT) über ein junges Publikum und überzeugte mit seiner wandlungsfähigen Stimme, dafür waren die Lieder eher handlich gebaut. Im Wohnzimmer des Lofts bekam ich gerade noch das letzte Lied von Shalman & Radenkovic, musikalisch war die saftige Weltmusik mit Akkordeon und Geige eine kleine Ausnahme im Waves-Programm.
Dass wir kurz darauf schon einem der Höhepunkte des Abends beiwohnten, konnten wir natürlich nicht ahnen. Gerade kamen wir gestärkt von Hjalte Ross‚ (DK) eigenwillig-tiefsinnigem Songwriting zurück ins Loft, da herrschte gute Laune im dortigen Wohnzimmer: Jiný Metro (quasi „die andere U-Bahn“) kommen aus Prag und ist das Duo der Freundinnen Katie Alžběta Brown und Klára Čmejrková. Das war schöner, innovativer Singer-Songwriter-Folkpop, hier und da mit Ukulele oder Klarinette ausgeziert und mit erfrischender Nervosität vorgetragen. Oh alien im B72 fiel dann einer Pizza zum Opfer, über die wir auf dem Weg stolperten, und irgendwann muss man auch mal kurz durchatmen. Daher bleibt hier nur dieser positive Höreindruck zum Verlinken.
Stattdessen landeten wir bei einer unsterblichen Zwiebel im Carina, Immortal Onion starb dann aber doch aufgrund technischer Probleme, überzeugte uns aber gerade noch mit 1,5 Songs, die mit Saxophon, Bass und Synths ziemlich durch die Wände der U6-Mauern gingen. Im Chelsea mühte sich derweil Comfort (UK) durch wilde queer-punk-Architekturen. Komfortabel war dies keinesfalls, aber wenigstens ziemlich in-your-face.
Weiter ging es an Gummibärchen-Goodies und der unvermeidlichen Pizza zurück ins Loft, allerdings hielten wir es bei Yasha 96 (CZ) aufgrund aufkommender Langeweile nicht allzulange aus. Die Langstrecke zurück ins B72 lohnte sich indes, denn Tusks (UK) überzeugte lediglich mit einem Korg bewaffnet solo mit intensiven Songs. Von ihr würde ich gerne mehr hören – auf der britischen Insel ist sie bereits eine gefragte Künstlerin.
Im Loop spielte dann die ungarische Sängerin Noira mit Band auf – mit Trompete und Saxophon in der mehrköpfigen Truppe war es ein auf jeden Fall ausbaufähiges Pop-Erlebnis. Zwei Top-Acts aus unserer Sicht sollten den Abend beenden – in beiden Fällen lösten sie unsere Erwartungen allerdings nicht ganz ein. Bo Milli aus Norwegen dürfte sicher vielen gefallen, es ist ein rhythmisch agiler Mainstream-Pop, der aber schlicht meinen Geschmack nicht traf. Hingegen wollte I hate myself because (Ukraine) mit Garagenpunk überzeugen, doch ging dieser Gig handwerklich daneben und dem Sänger schien seine eigene Treffsicherheit der Töne auch relativ egal zu sein, so dass der Auftritt reichlich hingeschmiert wirkte. Darf auch mal sein, und wurde unsererseits mit einem Besuch im Rhiz beim innovativen Act Modus Pitch (DE) und einem abschließenden Cocktail hinuntergespült.
Parallel zu den Musikdarbietungen war natürlich auch die Conference mit 827 Delegierten wieder ein Zugpferd des Festivals. Die Elektropopband Lucy Dreams gewann den zum achten Mal vergebenen XA-Export Award. Knapp 14.000 Zuschauer verfolgten waves, deren 15. Ausgabe vom 2.-4. Oktober 2025 stattfinden wird. Ich werde dabei sein.
Titelbild: Hjalte Ross, alle Bilder (c) Alexander Keuk
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