Fabio Luisi* im Staatskapellenkonzert
Mit dem Tod umgehen, ihm eine Farbe, eine Stimme zu geben oder ihn auch nur zu betrachten, das war und ist immer wieder Anlass für große Werke von Künstlern. So beschäftigten sich mehr oder weniger direkt auch die beiden Kompositionen des 10. Sinfoniekonzertes mit diesem Thema. Dabei sind die „Jedermann“-Monologe klar auf die Position des Sterbenden bezogen, der im Angesicht des Todes sein Leben und seine Ansichten überdenkt – der extreme Grenzfall menschlichen Daseins erfordert auch extreme Gedanken. Für die emotional vielschichtige Erzählung des „Jedermann“ fand der Schweizer Komponist Frank Martin eine unglaublich packende und plastische Musikform: Die Monologe des Jedermann werden von einem hochdramatischen Orchesterpart unterstützt, der gleichsam zu Herz und Hirn der Hauptperson mutiert – Schönbergs „Erwartung“ wird hier sicherlich Pate gewesen sein. Man glaubt angesichts der stupenden Leistung von René Pape (Bariton) kaum, dass er diese Partie extra für die Dresdner Aufführung einstudiert hat. Sicher, überragend in Stimme und Textausformung und mit großer Wandlungsfähigkeit zwischen Gebet und Aufschrei bot Pape eine exemplarische Darstellung der Komposition, von Fabio Luisi am Pult der Staatskapelle konzentriert unterstützt. Der künftige GMD der Staatsoper setzte in den Zwischenspielen deutliche Akzente, das eigentlich klein besetzte Orchester zeigte vor allem die gestische Kraft der Musik in harter Akzentuierung oder in warmem Lyrismus. Dass ab dem Sommer 2007 mit Luisi eine neue Zeit an der Staatsoper anbrechen wird, dürfte jedem gewiss sein, der den charismatischen Dirigenten bereits aus anderen Konzerten kennt. So war man sehr gespannt auf seine Darstellung von Anton Bruckners „Opus Summum“, der unvollendeten 9. Sinfonie. Es ist zwar so, dass man sich der Wirkung der Sinfonik Bruckners generell in guten Live-Aufführungen kaum entziehen kann, doch was die Staatskapelle hier bot, ist nicht anders als Weltklasse zu nennen und bewegte tief. Im 1. Satz war auffällig, dass Luisi eine enorme Sensibilität für die Abläufe des Werkes hat: in stillen Passagen läßt er flüssig und weich ausmusizieren, Steigerungen vermag er einen Atem über die volle Zeit zu geben, sodass die Eruptionen von einer unglaublichen Energie getragen werden. Auf diese Weise geraten die oft in einem verlassenen Hornton oder liegenden Streichern endenden fortissimo-Passagen zu einer Einheit, der Satz wird architektonisch klar und die Musik überträgt sich unmittelbar. Dies galt auch für den 2. und 3. Satz – das Scherzo nahm Luisi schnell, aber nicht überfahrend, der 3. Satz wiederum wurde in seiner Rätselhaftigkeit erhalten, indem Luisi deutliche Akzente auf harmonische Überraschungen oder Abbrüche setzte. Während des letzten Höhepunktes des Adagios wünschte man sich ein offenes Dach der Semperoper um selbst einmal den Himmel zu schauen, aber dieser Einblick blieb dem Komponisten vorbehalten. Gleich ob es das präzise und selbst im Strudel lautester Fanfaren sensibel agierende Blech oder die rhythmisch bohrenden Streicherfiguren waren, diese „Neunte“ war eine nachhaltig beeindruckende Interpretation. Fabio Luisi wurde vom Dresdner Publikum nach einigen Momenten der Stille und des Durchatmens triumphal gefeiert – ein frühsommerlicher Willkommensgruß also, verbunden mit der Hoffnung auf viele weitere spannende musikalische Begegnungen.
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* Endlich mal ein Musiker, der eine angenehme und witzig gestaltete Homepage hat. Die verlinke ich doch gerne!
was macht eigentlich mein süßer arnie?
ich lese gar nichts mehr von ihm hier.
(das ist jetzt wohl ziemlich off topic, wenn man mal vom blick in den himmel absieht…;) )
LG luc
stimmt, der ist etwas kurz gekommen in letzter Zeit. Werde ihm bald wieder exklusiv einen Eintrag widmen! Ihm gehts jedenfalls gut. Fliegt schon im neuen Heim herum, gerade schläft er allerdings. Ist ja auch spät 😉