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Der alte und der neue Don Quichotte

Lang, Strauss und Brahms im 1. Sinfoniekonzert der Staatskapelle

Die neue Saison der Sächsischen Staatskapelle Dresden ist eröffnet. Das 1. Sinfoniekonzert begann wie beim Antrittskonzert des GMD Fabio Luisi mit neuen, noch nie gehörten Tönen: Mit einer Uraufführung eines Auftragswerkes stellte sich der neue Capell-Compositeur, der österreichische Komponist Bernhard Lang, dem Publikum vor. War bei Isabel Mundry im Kontext zu den Konzertprogrammen immer eine deutliche Distanz und Kontrastbildung spürbar, so ließ sich Lang klar durch das Nachbarwerk inspirieren. „Der neue Don Quichotte“ hieß seine Komposition „Monodologie II“ im Untertitel und formulierte so die alte Geschichte in einer radikal modernen Sprache. Die Monodologien sind ein Werkzyklus von Bernhard Lang, von denen wir in der neuen Saison noch mehrere neue Teile hören werden. Es sind blockhaft angelegte Systeme von Zellen, die Rhythmus und Harmonik in den Vordergrund der Betrachtung stellen – Kontrapunktik wird wie von selbst durch stetige Veränderung des streng anmutenden Materials erzeugt. So entstanden fremdartig rotierende Klangflächen, von denen Lang kaum einmal abweicht. Wenige Male blitzen in den Texturen melodische Schübe auf, die aber der Gesamtfläche untergeordnet sind. Hat man sich an diese Klangwelt erst einmal gewöhnt, setzt man die Teile im Ohr zueinander in Beziehung und eine spannende Hörerfahrung entsteht. Kleine Details des Werkes mögen Langs frische, offene Komponierweise verdeutlichen: die Bevorzugung der Oboeninstrumente zu Beginn kann durchaus als freundliches Winken hinüber zum „Heldenleben“ und zur Sinfonia Domestica verstanden werden, während der Schluss trotz weiterem Kreise(l)n in schmunzelnder Alpenseligkeit augenzwinkernd daherkam: der neue Don Quichotte lächelt auch noch beim Untergang. Undeutlich gelang allerdings die Interpretation in der Hinsicht, ob ein emotionales Insistieren oder eine kühle Mechanik beabsichtigt war. Hier hätte eine von Luisi schärfer gezeichnete dynamisch-agogische Ebene größere Wirkung erzeugt. Nach der zeitgenössischen Sicht auf Strauss und „Don Quichotte“ dann das „Original“: für die Tondichtung gesellte sich Jan Vogler als Solist hinzu, Sebastian Herberg gab einen klangstarken Sancho Pansa. Vogler gab sich mit Leidenschaft und mutigem Zugriff dem Solopart hin, dies war in allen Episoden gemeinsam mit dem Orchester überzeugend gestaltet, da Luisi hier die Episoden in den Orchesterfarben gut variierte und Vogler Raum für große lyrische Entfaltung gab. Nach der Pause stellte Luisi seine Sicht auf Johannes Brahms 4. Sinfonie e-Moll, Opus 98 vor. Breites Legatospiel im ersten und kontrastreiche Themendarstellung im zweiten Satz bestimmte die von der Kapelle sehr homogen musizierte Interpretation. Das Scherzo kam eher ruppig denn „giocoso“ daher und nahm daher schon fast die von Luisi offen bloßgelegte Dramatik der finalen Passacaglia vorweg, die er, das war bemerkenswert, in einem klar definierten Tempo ohne Abweichung als zwingende Entwicklung bis zum Schlussakkord anlegte – überzeugend.

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