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Ende, aus, vorbei. Luisi geht.

Es gab viel Gerede in den letzten Monaten, einige Berichte und wenige Fakten. Einer dieser Fakten ist, dass keinem scheidenden GMD ein Abgang über 2,5 Jahre hinweg schmecken dürfte, schon gar nicht, wenn nicht 100% der Mannschaft nicht hinter ihm stehen und der Neuankömmling bereits jetzt schon wie ein Gott gefeiert wird. Ein bißchen viele Vorschusslorbeeren waren da schon für Christian Thielemann aufgehängt, das dürfte auch Luisi missfallen haben. Euphorie hat in Dresden Tradition, aber auch Bernard Haitinks roter Teppich hatte sich nach dem Ausrollen auf der einen Seite bereits von der anderen Seite her arg schnell wieder zugerollt. Fabio Luisi verläßt Dresden, für die Klärung der Umstände dürfte es noch etwas Zeit benötigen. Vermutlich war es keine dauerhaft glückliche Ehe mit der Staatskapelle. Vielleicht sollte man aber auch einmal nachdenken, was heute die Position eines GMD bedeutet. Früher war es z. B. selbstverständlich, dass ein GMD über die ersten zwei, drei Jahre (und oft mehr) erst einmal ein Verhältnis zum Ensemble aufgebaut hat, dann erst begann die eigentliche Arbeit, die Formung des Orchesters, das vertraute Miteinander. Im idealen Fall hat sich dann ein Orchester über einen Zeitraum von 10 Jahren enorm weiterentwickelt, eine Handschrift, eine Klasse wurde erreicht. Fraglich, ob Anspruch und Intensität erhalten bleiben, wenn die Orchesterleiter wechseln wie die Trainer im Fussball. Und natürlich wirft die Akte Luisi-Thielemann auch noch ein besonderes Licht auf die Neue Musik, auf die Frage nach dem seriösen Umgang mit der Gegenwart und dem Sinn, Inhalt und der Fortentwicklung musikalischer Institutionen. Darüber gilt es nachzudenken. Die Maßstäbe sind auch für den Nachfolger Lusis nicht hoch genug anzusiedeln – und sie manifestieren sich nicht nur in einem gloriosen Strauss- oder Beethoven-Dirigat.

Weitere Artikel zum Thema:
* Operachic publiziert Auszüge aus einem Brief Luisis an die Mitglieder des Hauses

* Die Zeit
* Süddeutsche – Wolfgang Schreiber
* MDR
* Basler Zeitung
* klassik.com
* Berliner Morgenpost – Manuel Brug

edit: und natürlich geht es weiter:
Ministerium hält Kündigung für unwirksam (LVZ, 5.2.)
* Sächsische Zeitung: Kratzer am Lack (5.2.)
* Eines der unzähligen FAZ-Interviews mit Ch.Th.

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Veröffentlicht in Weblog

7 Kommentare

  1. Luisi hat keine guten Berater. In Leipzig mag der flapsige Slogan „Leipzigs bester Italiener“ noch halbwegs funktioniert haben. Danach wechselte der Verantwortliche Henry Brinker mit Luisi nach Dresden. Ich erinnere mich noch an die Inthronisierung: Luisi mit Gurkenmaske, überlebensgroß die Fotos vor der Oper. Das ist nicht, was die Staatskapelle ausmacht, und der neue Kommunikationschef der Oper Brinker hätte das wissen müssen. Vielleicht wußten viele Musiker schon in diesem Moment, dass Luisis Wahl nicht gut war, mit dieser Entourage.

    Ich bedaure Luisis peinlichen Abgang. Er ist ein sehr disziplinierter und sehr kluger Dirigent, und sehr effizient. Vielleicht sollte er sich neue Berater suchen, die ihn nicht um jeden Preis als sexy Stablöwen vermarkten. Die Kündigung zu ziehen, wenn die Kapelle auf Tournee ist (und Luisi von dieser Tournee krankgeschrieben), zeugt von genau dem Stil, der dem Dirigenten seit einiger Zeit als Ruf vorauseilt.

    • Robert Robert

      Schade um Dresden Einen Dirigenten, der sich so viel Zeit für sein Orchester und sein Haus nimmt, wie Luisi es getan hat (kein GMD in Deutschland dirigiert so viel Repertoire wie er es in Dresden getan hat!), und das durchwegs auf sehr hohem Niveau, wird die Sächsische Staatsoper und die Staatskapelle kaum wieder finden. Genau die Begriffe Seriosität und Effizienz zeichneten sein Wirken in Dresden (so wie in Leipzig dovor und in Wien immer noch).
      Daß die Medien und die kurzsichtigen Orchestermusiker einen bunten Vogel (talentiert aber mit winzigem Repertoire) wie Thielemann lieber als einen seriösen Arbeiter wie Luisi haben ist leider bezeichnend für das heutige Musikbusiness.
      Luisi Ruf in der Musikwelt ist hervorragend, verstehe daher nicht, was Martin meint.

  2. Für die Wr. Symphoniker war Luisi sehr gut. Das haben mir einige Symphoniker selbst bestätigt, die sich gefreut haben, dass wieder mehr Disziplin in die Sache kam.
    Thielemann ist sicher sehr gut. Bruckner beherrscht er auch.
    Aber irgendwie geht mir der ganze Personenkult schon ziemlich auf die Nerven.
    Ketzerisch: im Prinzip dürften Dirigenten nur mehr danach beurteilt werden, wie sie Musik aufführen, die selten gespielt wird. Und dazu gehört natürlich auch Neue Musik.
    Die Klassiker zum x-ten Male bringen, ist eigentlich keine große Sache mehr. Davon gibt es ja schon genügend Einspielungen. 🙂

    • Was Dich vielleicht besonders interessieren wird: durch den vorzeitigen Abgang hat er seine eigene Notre-Dame-Premiere (im April) hier in DD verhagelt…fraglich, wer die nun dirigiert…
      Generell bin ich für offene Worte, die sind im heutigen Konzertrummel allerdings selten, insofern kann eine solche Trennung kaum ohne Schaden und Scherben verlaufen. Man überlege sich einmal, nach einer normalen Scheidung würde der Ehemann noch zwei weitere Jahre im Haus wohnen obwohl der Liebhaber schon ein- und ausgeht… – Wie gesagt, ich bin sehr dafür, dass man einige Mechanismen einmal hinterfragt, die über dem ganzen Vorgang stehen, insbesondere auch die der Politik, der Kompetenzen und (logisch) der Finanzen…

    • So sehe ich das auch. Hast Du verfolgt, was sich bei uns gerade in Salzburg abspielt. Osterfestspiele und Festspiele, zwei Leute fristlos entlassen. Malversionen und Schäden in der Höhe bis 2 Mio Euro.
      🙂

    • huch, nein, die Salzburger G’schichtn dringen kaum bis hierher…werde mich mal durchs Netz graben…

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