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„Arabian Nights“ – grenzenlos modern und turbulent

Absolute Ensemble (New York) bei den Dresdner Musikfestspielen

Wo liegt eigentlich dieses „Arabien“? Wenn schon auf diese Frage die Antwort schwer fällt, weil man hierfür je nach Kriterium eine gedachte Linie von Westafrika bis in den Irak ziehen könnte, so muss man bei der Antwort auf die Frage, was denn dann arabische Musik sei, ganz tief Luft holen, denn das oft gehörte Statement „das klingt doch arabisch“ ist lediglich eine idiomatische Wendung.

Das Interesse Europas und Amerikas an der traditionellen arabischen Musik hat zudem in den letzten Jahrzehnten zu reichlich Forschung und Erhellung beigetragen, aber auch zur kreativen Weiterentwicklung dieser Musik. Da passt dann erst recht keine Schublade mehr und so ist es folgerichtig, dass sich das amerikanische „Absolute Ensemble“ genau auf dem Grenzgrat zwischen World, Jazz und Klassik bewegt – bei den präsentierten Stücken gaben sich Joe Zawinul, Abdullah Ibrahim und Marcel Khalife (dessen Sohn Bachar im Ensemble mitspielte) die Ehre.

Möglicherweise hat das Ensemble bei seinem Gastspiel bei den Dresdner Musikfestspielen in der VW-Manufaktur am Sonnabend ein ganz neues „Arabien“ geschaffen, was es so noch auf keiner Landkarte gibt. Verrückt genug, dass die Herkunft der drei Solisten ein Dreieck zwischen Nordwestafrika, der Schweiz und dem Libanon bildet: hier Bassam Saba, der mit Nay (arabische Flöte) und Oud (Kurzhalslaute) das Publium verzauberte, dort Aziz Sahmaoui aus Marokko, der vielen der präsentierten Stücke eindringlichen Gesang zugab. Dazwischen ein Schweizer – aber das spielt nun wahrlich keine Rolle mehr, denn der Saxophonist Daniel Schnyder ist auf allen Pfaden ein Vollblutmusiker, so entstammte etwa das rhythmisch pulsierende Nay-Konzert in vier Sätzen seiner Feder.

Im „Absolute Ensemble“, das charismatisch und natürlich auch mit ein bißchen Showfeeling von seinem Leiter und Gründer Kristjan Järvi geführt wurde, ist aber jeder Platz ein kreativer, und so staunte man über die völlig selbstverständliche Komplexität der Arrangements. Deren Beats schrammten frecherweise oft gefährlich nah an Rap oder Clubsounds vorbei, so dass das Füßestillhalten schwerfiel. Bei allem rhythmischen Drive, blieb aber eine Frage offen: sind denn „Arabian Nights“ denn wirklich so gar von stetig vorwärtsdrängender Motorik geprägt? Gerne hätte man dem Ensemble die Stille und Weite arabischer Landschaften auch musikalisch entnommen, doch dafür hätte der opulente Satz mancher doch sehr amerikanisch aufgefrischter Arrangements erheblich ausgedünnt werden müssen. Es entstand ein Klangbild des turbulenten, vielleicht modernen Arabiens, das auch in der Geschwindigkeit längst mit der westlichen Welt Schritt hält. Nach Mitternacht war der hochinteressante Ausflug beendet, der Derwisch hielt inne, eine Khalife-Zugabe wurde noch einmal innig.

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