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Nicht ganz geerdet

Messiaen, Prokofjew und Strawinsky im 5. Sinfoniekonzert der Staatskapelle

Drei Klassiker des 20. Jahrhundets – so wurde das 5. Sinfoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle angekündigt und umschrieben. Das mag für Igor Strawinskys „Le Sacre du Printemps“ auf jeden Fall zutreffen, doch im ersten Konzertteil ist die Titulierung allenfalls auf die Komponisten anzuwenden, nicht auf die Werke. Denn Olivier Messiaens sinfonische Meditation „Les Offrandes Oubliées“ („Die vergessenen Opfergaben“) taucht dafür doch zu wenig in den Konzertprogrammen auf. Eine wirklich dramaturgische Motivation fehlte denn auch in diesem Konzert; dem Frühwerk des Franzosen kann man eigentlich nur gerecht werden, wenn man weitere Messiaen-Werke dazugesellt oder die religiöse Thematik im Rest des Konzertes intensiver beleuchtet.

So stand Messiaen diesmal in der unrühmlichen „Ouvertürenecke“ des Sinfoniekonzertes und da gehört er wahrlich nicht hin, daran konnte Gastdirigent Yannick Nézet-Séguin, designierter Chefdirigent des Philadelphia Orchestra wenig ändern. Die Interpretation hätte zudem in den Eckteilen noch mehr Ruhe und Innigkeit vertragen, die Strahlkraft der Klangideen des Komponisten war im Ergebnis nicht beim Optimum angelangt.

Völlig unbeeindruckt von den Neuerungen junger Kollegen zeigte sich Sergej Prokofjew ein Jahr vor seiner Rückkehr in die Sowjetunion mit seinem 2. Violinkonzert derart traditionsbewusst, dass man sogar heute noch mit leichtem Schrecken vor manchen Banalitäten dieses Werkes steht. Doch das Geheimnis dieses Konzertes liegt im opulenten Solopart, dessen Vergoldung nur exzellenten Virtuosen zusteht. Dafür war im 5. Sinfoniekonzert die Holländerin Janine Jansen zuständig, längst den „jungen Talenten“ entwachsen und weltweit für ihr charaktervolles, reifes und vielseitiges Spiel gelobt. Und sie legte Blattgold auf dieses Konzert, das ja schon mit einer kleinen Horrorsituation beginnt: Alleine anfangen, und dann auch noch mit dieser harmlosen Melodie! Jansen bewährte sich im Märchenerzählen, im Drama, im verinnerlichten Selbstgesang und im 3. Satz im von ihr rhythmisch an die Zügel genommenen hispanisierten Holzschuhtanz. Wunderbar legte sie einen Spannungsbogen über das ganze Werk, der sich auch auf das Orchester übertrug, das nur im ersten Satz etwas Probleme hatte, den richtigen Ton für dieses Werk zu finden – später gab es hier samtige Streicher und rassige Bläsereinwürfe zu bewundern.

Zum Finale gab es das – etwas verfrühte – Frühlingsopfer „Le Sacre du Printemps“ von Igor Strawinsky zu Gehör, das in knapp 100 Jahren vom Skandalstück zum Publikumsliebling mutiert ist. Leider gab sich Yannick Nézet-Séguin hier zu sehr der Showtime hin, als dass wirklich eine spannungsgeladene Interpretation heraussprang. Wenn man dieses Stück nicht metrisch erdet (was übrigens auch jeder Tänzer tun würde, will er Ausdruck erzeugen), entstehen gefährlich unpräzise Passagen. Das war das Manko des kompletten ersten Teils, der schon in der (von den Bläsersolisten der Kapelle dennoch hervorragend ausmusizierten!) Einleitung schlicht zu schnell gedacht war und später oft sinnfrei nach vorne stürzte. Dadurch erhielt das Stück nicht die nötige Intensität und Wucht, die möglich gewesen wäre. Auch der zweite Teil wog das nicht mehr auf, dem in seinen langsamen Teilen eine zielgerichtete Grundspannung fehlte. Hier wäre Nézet-Séguin künftig ein wenig mehr gelassene Coolness zu wünschen – das Werk beherrscht er zweifelsfrei.

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