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Irdisch, kraftvoll und entrückt.

Myung Whun-Chung und die Sächsische Staatskapelle mit Messiaen und Mahler

„Willkommen, Maestro Chung“, so begrüßte die Sächsische Staatskapelle im Programmheft des 5. Sinfoniekonzert der Saison den koreanischen Dirigenten Myung-Whun Chung. Chung ist seit Beginn dieser Saison neuer erster Gastdirigent des Orchesters, eine Titulierung, die erstmals vergeben wurde. Dabei ist der „Neue“ ein alter Bekannter, und die Ernennung beruht denn auch auf der in über zehn Jahren gewachsenen Freundschaft zwischen dem Orchester und dem 59jährigen Koreaner. Mehrfach leitete Chung die Staatskapelle auf Tourneen, vielen ist auch Chungs Messiaen-Ehrung zum Jubiläumsjahr 2008 mit der Aufführung der gigantischen „Turangalila-Sinfonie“ in Erinnerung. Diesem Komponisten ist Chung besonders verbunden, erarbeitete mehrere Werke mit ihm persönlich und ist Widmungsträger von Messiaens „Concert a quatre“.

Im 5. Sinfoniekonzert stellte Chung Messiaens „L’Ascension – Die Himmelfahrt“ der 1. Sinfonie von Gustav Mahler gegenüber – Mahlers Sinfonien, so kündigte die Staatskapelle an, werden in Chungs Gastspielen künftig eine große Rolle spielen, denn es soll ein kompletter Sinfonien-Zyklus entstehen. Interessant war die Gegenüberstellung der beiden Komponisten mit Werken, die beide etwa im gleichen Lebensalter verfassten. Doch einen Vergleich sollte man mit der Feststellung bewenden lassen, dass die Persönlichkeiten trotz jugendlichem Selbstbewusstsein und Mut zur Erneuerung tradierter Formen zu unterschiedlich sind. Wo Mahler rauschhaft und manchmal durchaus widersprüchlich seine Außenwelt in einem persönlichen Drama reflektiert, wendet sich Messiaen über seinen starken Glauben sogleich nach innen.

Das zeigte bereits der Eingangssatz der „Vier sinfonischen Meditationen“, den Demut und Bitte als charakteristischer Ausdruck beherrschen. Chung, der beide Stücke auswendig dirigierte, ließ hier Raum für ruhige Entfaltung der nicht leicht auszuhörenden Bläserakkorde, nahm die Meditation wörtlich und dehnte die narrative Kraft des Stückes auch auf den 2. Satz aus. Temperamentvoll und zuversichtlich geriet das an dritter Stelle stehende „Allelua“, bevor das gebetsartige Finale ganz den Streichern vorbehalten blieb und diese mit toller dynamischer Ausbalancierung in immer höheren Sphären wirklich eine Himmelfahrt vollzogen.

Ebenso eindrucksvoll, wenngleich ganz andere Ausdrucksqualitäten hervorbringend, gelang der sinfonische Erstling von Gustav Mahler – übrigens ein Stück, das vielen Zuhörern sicher durch Georges Prêtres Interpretation an gleicher Stelle ziemlich genau vor einem Jahr präsent ist. In Myung-Whun Chungs Deutung zeigte sich über alle Sätze hinweg eine Seriösität, fast ein Respekt im Zugang zur Partitur, was aber sehr plausibel erschien, da Chung so die Natürlichkeit der Darstellung bewahrte. Naturlaute, Trauermärsche, Liedzitate und Schicksalhaftes erhielten ein kraftvoll-irdisches Temperament. Im 1. Satz bewahrte sich Chung den straffen Zug bis zum Satzende auf und konnte so mit weicher Klanggebung die Themen gestalten.

Das ausgestellte Selbstbewusstsein des 2. Satzes formte Chung nicht vertänzelnd-derb, sondern mit erdigem Zupacken, was dem Trio einen besonderen Kontrast verlieh. Das Finale modellierte Chung trotz des auskomponierten Höllensturms mit guter Kontrolle der Klangebenen und bewies noch einmal Besonnenheit in den leisen Passagen der Themen-Rückschau. Mit dieser überzeugenden Interpretation konnte Chung viel Begeisterung im Publikum entfachen – willkommen, Maestro Chung!

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