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Bis auf den Grund

Doric String Quartet musizierte im Palais

Die musikalische Landschaft im Bereich des Streichquartetts ist vielfältig und wird vor allem von jungen Ensembles bestimmt. Kammermusik wird schon an den Hochschulen und Colleges gepflegt, dort finden sich auch oft die Ensembles zur Gründung zusammen. Beständig ist aber nur, wer die Qualität über Jahre halten und steigern kann, sich auch im Repertoire spezialisiert und möglichst die Besetzung beibehält.

Hierzulande noch eher ein Geheimtipp, hat das britische Doric String Quartet in den letzten Jahren vor allem durch CD-Aufnahmen von sich reden gemacht und gastiert bei allen großen Festivals. Im Palais im Großen Garten zu den Musikfestspielen scherzten die Mitglieder, man würde nur bei gutem Wetter spielen – schließlich stand eines der „Sonnenquartette“ von Joseph Haydn auf dem Programm. Zumindest für den Freitagabend hatte der Wettergott auch ein Einsehen und das Publikum kam in den Genuss eines bewegenden Kammermusikabends.

Eben der Vater des Streichquartetts, Joseph Haydn, ist es, dessen Musik immer noch oft unterschätzt wird – das Quartett zeigte mit der Interpretation des Quartettes Es-Dur Opus 20/1 sofort seine Visitenkarte und gleichzeitig seinen Lieblingskomponisten. Haydn wurde ernst genommen und in jeder Faser ausgestaltet, sei es in den stets weich musizierten Ecksätzen oder im meditativ-choralartigen langsamen Satz. Das „Affettuoso“ nahmen die vier Musiker ebenfalls wörtlich und es manifestierte sich in reichem Klangfarbenspiel – man staunte, wieviel Flexibilität das Quartett etwa dem Vibratoklang oder in der Bogenführung widmete.

Mit einer kurzen Anmoderation, die Bildkraft des folgenden Werks beschwörend, nahm das Doric String Quartet die Zuhörer mit auf die Reise in „Eclipse“ des australischen Komponisten Brett Dean, der in Dresden vor allem durch das Engagement der Philharmonie nicht ganz unbekannt ist. Das dreiteilige Werk – kompositorisch mit Licht und Schatten nicht weniger als das „menschliche Drama“ auslotend – lebte von gespanntem emotionalen Ausdruck, der sich bereits in den leisen Passagen zu Beginn zu innerem Brodeln aufschwang; der folgende wild wütende Mittelteil ließ den Atem stocken. Auch in diesem zeitgenössischen Werk war die Sorgfalt des Quartettspiels stetig spürbar, und so konnten die dramatischen Bilderwelten direkt das Publikum erreichen, das sich begeistert zeigte.

Zum Abschluss spielten die vier Briten eines der letzten Streichquartette von Antonín Dvořák, das 13. in G-Dur. Es ist fast eine „10. Sinfonie“ in Miniaturform, so vielfältig sind die Ideen, so sinfonisch mutet die anzulegende Klanglandschaft an. Hier müßte man nun sehr ins Detail gehen, um die spezielle Ästhetik, die das Doric String Quartet dem Werk beigab, zu analysieren – nicht immer traf der doch die Aufführung bestimmende affektierte Grundduktus genau den Geist der Dvořákschen Linien, hätte man sich manches Mal einen wenig intellektuelleren Zugang gewünscht. Die vier Musiker leuchteten das Stück jedoch bis auf den Grund aus, schwelgten ebenso in den Kontrasten und wussten harmonische und satztechnische Raffinessen herauszustellen. In dieser stets gehaltenen Hochspannung verflog die Zeit – mit großem Applaus bedankten sich die Zuhörer beim Doric String Quartet, die mit einem fugierten Satz von Joseph Haydn als Zugabe noch eine weitere, diesmal barocke Klangfarbe hinzufügten.
(1.6.2013)

CD-Tipp:
Ernest Chausson: Streichquartett Opus 35 / Konzert Opus 21, Doric String Quartett, erschienen bei Chandos 2013

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