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Bruckner ist nicht gleich Bruckner

8. Sinfonie mit der Dresdner Philharmonie unter Ingo Metzmacher

Unter den Sinfonien von Anton Bruckner ragt die 8. Sinfonie c-Moll von Anton Bruckner als spätes Meisterwerk heraus. Es ist seine letzte vollendete Sinfonie, gigantisch in den Dimensionen und in der musikalischen Kraft, die sich in großen Wellen entfaltet. Durch die Aufführungen von Christian Thielemann ist das Werk in Dresden präsent – die Dresdner Philharmonie widmete sich am Sonnabend dem Stück in einem Konzert in der Frauenkirche – zuletzt hatte Marek Janowski die Sinfonie 2004 aufgeführt.

Doch Bruckner ist nicht gleich Bruckner, mehr noch: vielen Zuhörern dürfte diese Sinfonie vor den Ohren neu entstanden sein, denn gespielt wurde nun die erste Fassung von 1887, die überhaupt erst 1972 im Druck erschienen ist. Dass der Komponist aufgrund der Kritiken und Rückmeldungen von Verlegern und Dirigenten immer wieder an seinen Sinfonien Stift und Radiergummi ansetzte, führt heute zu einer spannenden Rezeption, bei der letzte Antworten einer „gültigen“ Fassung ohnehin unbeantwortet bleiben müssen. Die oft runder, aber auch glatter wirkenden Zweit- und Drittfassungen der Sinfonien überwiegen jedoch im Repertoire.

Gastdirigent Ingo Metzmacher, äußerst erfahren im Umgang mit der Musik der Gegenwart, wagte mit den Philharmonikern die Innenschau auf diesen ungeschliffenen Rohdiamanten. Dem ersten Satz verlieh Metzmacher einen langsamen Grundpuls, der einen in aller Ruhe fortschreitenden, gespannten Nachvollzug der Klangereignisse ermöglichte. So kamen die ungewöhnlichen harmonischen Fortschreitungen der Durchführung, die in einem großen Skalenanstieg in die Reprise münden, gut zur Geltung. Das schnelle Tempo des Scherzos gestaltete Metzmacher straff, fast unerbittlich. Seinen Intentionen folgten die Philharmoniker sehr aufmerksam, gefährlich wurde es höchstens in manchen ostinaten Passagen, die Metzmacher dann souverän im Tempo hielt.

Interessant war auch die Klangwirkung, die das Orchester in seiner Aufstellung mit hinter den Posaunen postierten Kontrabässen und rechts und links „stereo“ postierten Hörnern und Tuben entfaltete. Bis zum Ende des 2. Satzes war in der Dynamik eine gute Transparenz vorhanden, entfalteten sich immer wieder leise, schöne Linien, setzte man auf homogenes Spiel.

Das große Adagio und der Finalsatz jedoch wurden von Metzmacher kaum noch dynamisch betreut, zwar führte der Dirigent klar durch die Tempi, hätte jedoch flexibler auf die ihm entgegenströmenden Klangmassen reagieren müssen. Ein indifferentes Spiel war die Folge, in welchem Steigerungen weit vor dem eigentlichen Höhepunkt schon zu laut erschienen. Im Tutti selbst fehlte dann die notwendige spontane Kontrolle und Lautstärkeabrundung – die Maßüberschreitung in der Phonstärke war nicht mehr durch die Interpretation gerechtfertigt. Das wirkte sich auch auf leisere Stellen negativ aus – die Grundspielhaltung war plötzlich sehr viel präsenter, aber dadurch auch inhomogener; ein geheimnisvolles Piano wie noch im 1. Satz stellte sich nun nicht mehr ein.

Doch gelangen Metzmacher auch hier einige spannend musizierte „Fenster“ der Partitur, wie etwa die Einbeziehung der drei Harfen in die Themenentwicklung oder die letzten Zurücknahmen vor den alles übertönenden Finaltakten. Für diesen „neuen“ Bruckner erntete die Dresdner Philharmonie vom Publikum starken Applaus und viele Bravo-Rufe.

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