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„Abarbeiten“ an Beethoven

Rihm und Mozart beim Moritzburg-Festival

Dass Kammermusik trotz überschaubarer Besetzungen durchaus auch ungewöhnliche Dimensionen erreichen kann, machte das Konzert am Mittwoch beim Moritzburg Festival deutlich. Der anwesende Composer-in-Residence Wolfgang Rihm machte es bei dem Gespräch vor dem Konzert auch gleich deutlich: Kammermusik muss nicht per se intim sein, wenn die Intensität der behandelten Themen auch die eines Orchesterwerks sein kann. Trotzdem findet man bei nur drei Instrumenten natürlich eine andere Klangwirkung vor. Rihm konnte vor der Aufführung seiner „Musik für drei Streicher“ aus dem Jahr 1977 die Zuhörer nicht nur gut vorbereiten, Intendant Jan Vogler lockte auch einige Statements hervor, die zum Weiterdenken geeignet waren: dass das Hören keine „passive Berieselungserlaubnis“ sei wie auch Publikum und Instrumente als aktive Teilnehmer eines Konzertes stetig im Dialog befindlich sind. Das Leugnen der Tradition kommt für Rihm nicht in Frage: „Die Tradition, das sind wir selbst.“

Kompositorische Persönlichkeit entstehe aus der bewussten, stetigen Erfahrung von Erfolgen und Niederlagen, das Schreiben erfordere aber in jedem Fall einen schöpferischen Raum. Handwerkliches Rüstzeug sei wichtig, aber ebenso auch das Vergessen, von dem was man schon weiß, um in andere Sphären vorzudringen. Traditionsbewusst gibt sich sein im Konzert vorgestelltes Stück, das sich „an Beethovens späten Quartetten abarbeite“ – ein intellektueller Höhenflug war da vorprogrammiert. Ausgestattet mit diesen Hinweisen erschien Rihms Musik trotz geschärfter Klangsprache merkwürdig „bekannt“, war die Konzentration auf Widerhaken, Übergänge und formale Konzepte fast zu offensichtlich und daher auch kaum spektakulär. Die nur famos zu nennende Interpretation von Alexander Sitkovetzky (Violine), Nils Mönkemeyer (Viola) und Christian Poltéra (Cello) zeichnete dieses Abarbeiten nach, und die Musiker schafften trotz des immensen Spielanspruches auch noch eine emotionale Ensembleklanglichkeit von Vereinigung und Ablösung, die äußerste Spannung erzeugte. Der Wermutstropfen war das plötzliche Ende der Aufführung nach dem zweiten Satz des dreiteiligen Werkes. Bei der knapp einstündigen Dauer des kompletten Stückes ist die Entscheidung der Musiker zu respektieren, den Anspruch einer sehr guten Aufführung realisieren zu wollen, für das Gesamtverständnis dieses Werkes fehlte dann doch ein wesentlicher Teil.

Das mozartsche „Abarbeiten“ am Streichtrio folgte nach der Pause – die Fäden zwischen den beiden Werken des Konzertabends durften gerne gesponnen werden, zumal man in Kenntnis der Beethoven-Werke auch die Antizipation schon in Mozarts Divertimento Es-Dur KV563 wahrnehmen konnte. Es ist ein spätes Meisterwerk, dass heute – je nachdem wie man es hören will – ebenso irritieren wie erfreuen kann. Die sechs Sätze zeigen Mozart in ganzer Meisterschaft des leichten Tones wie auch in einer durchaus ernstzunehmenden Experimentierfreudigkeit in den Ecksätzen. Damit hatten Kai Vogler, Lise Berthaud und Peter Bruns vielfältige Aufgaben zu bewältigen und das Bemühen um eine charakteristische Ausformung aller Abschnitte war deutlich, allerdings nicht immer erfolgreich – da war ein Hauch von Perfektionismus zu spüren, der das letzte Sahnehäubchen eben verhinderte. Die forschen Tempi im Eingangssatz, das virtuos auftrumpfende Andante und ein subtil augenzwinkernder Ton in den Menuetten gerieten in der Summe aber doch zu einem sehr ansprechenden Hörerlebnis.

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