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Ostrale 2013

Etwas viel Kultur hier im Blog derzeit. Gut so. Weiter so.

Heute habe ich noch einen Besuch bei der Ostrale geschafft, der sommerlichen Ausstellung für zeitgenössische Kunst in Dresden (Berichte gab es auch 2009 und 2010). Es war der letzte Tag und ich hatte mit einigem Ansturm gerechnet, aber offenbar war die Fraktion der „aufdenletztendrückerkommer“ doch eine Minderheit. Dementsprechend entspannt fiel der Besuch aus und ich hatte auch das Gefühl, ein Zeitfenster gefunden zu haben, wo nur angenehme und interessierte Zeitgenossen um mich herum waren.

Das Areal war am letzten Tag nicht mehr komplett zu besichtigen, ein Teil der Ausstellung in der Messehalle war schon vorbei. Trotzdem gab es in den Futterställen und im Haus 11 noch sehr viel zu sehen – ich bin mit zweieinhalb Stunden gerade so hingekommen, bin aber auch nicht gerade der langsamste Kunstrezipient.

Das Fazit nehme ich vorweg und führe dann genauer aus: mir fehlte etwas. Das ist nun schwer zu beschreiben, da ich mich zwar ebenfalls Künstler schimpfe, aber eben auf musikalischem Gebiet (Grenzüberschreitungen natürlich niemals ausgeschlossen). Aber das mag gar nicht der Grund sein – Musik hat mir sicher nicht gefehlt. Eher eine Art Sinnlichkeit. Oder die Aktivierung verschiedener Sinne und auch Emotionen. Klar, alle Sinne waren immer dabei und man fühlte hier und da auch Zuneigung oder Ablehnung, aber mir fehlten dabei die Extreme. Dass mich das Bild anspringt oder anschreit, dass ich über Farben und Formen ins Entzücken gerate, dass meine bisherigen Erfahrungen und Horizonte mit einem Blick über den Haufen geworfen werden müssten. Oder das ich schlicht: „geil“ oder „scheiße“ ausrufe, und damit impulsiv den ehrlichsten Rezipienten in mir höre.

Stattdessen gab es zu oft ein innerliches: „Äh, was?“, ein „hmja“ oder ein „och noe“, wohl die flachsten Reaktionen auf ein Kunstwerk, die ich gerne vermieden hätte. „Äh was“ erhält immerhin noch einen Pluspunkt – denn Unverständnis ist zunächst erst einmal etwas, was mich festhält am Objekt und Irritation ist per se eine gute Sache. Zwei Dinge störten mich ebenfalls doch häufiger: viele Bilder/Objekte hatten entweder einen zu stark selbstreferentiellen Charakter (Künstler leidet am Künstlertum/bzw. Definition desselben und muss das in Kunst umsetzen) oder einen Charakter, der zu nah an (mir) bekannten Vorbildern schrammte.

Ich weiß nicht, wieviele Richters, LeipzigerSchule, Meeses und Polkes ich gesehen habe. Ist das nur meine Empfindung, dass da vieles schon so oder ähnlich gesagt wurde? Vielleicht sehe ich auch in vielen Bildern Techniken und muss mehr in die Tiefe. Das wiederum erlauben mir aber die meisten Bilder nicht, deren Focus viel zu konzeptionell, letztlich auch zu naiv erschien. Da kommen Schwarmfliegen dann am Ende als Schwarmfliegen daher, eine Fotoreihe über einen Zug in Afrika muss im Gehen betrachtet werden, damit es ein Zug wird und politische und philosophische Einstellungen werden plakatiert und manifestiert, als ob es kein Morgen in der Kunst mehr gäbe, gipfelnd in einem Raum, den ich auch noch passenderweise ziemlich zum Schluss besuchte: Holzscheite, Holzhacken im Video und Stoffbahnen mit IchhaudirmeineÄsthetikumdieOhren-Botschaften. Überraschung: das war die Arbeit einer Studienklasse der HfbK Dresden. Merkwürdig.

Damit endet aber auch schon meine Aufzählung der Downbursts, vor allem zum persönlichen Erinnern liste ich einmal auf, was mich beeindruckt hat. Warum genau, kann ich gar nicht sagen. Wichtig st mir auch, dass ich die Künstler verlinke, damit sich Nicht-Ostrale-Besucher noch ein Bild machen können. Hinter den Links wird man meist fündig.

* Tanja Rochelmeyers klar strukturierte Malerei läßt mich trotz Ordnung und Geometrie innehalten, weil sie in merkwürdiger Art mehr erzählt, ähnlich einer Codierung, die nur einmal so und nicht anders existiert.
* Nicolae Comanescu – (die Bilder sieht man weiter unten auf der Website) eine Folge von ähnlichen Bildern, die verwitterte Höfe und Ruinen zeigte, aber eben mit Focus auf einem unwirklichen hellen Grün der Botanik um diese Gebäude herum, dazu einige hineingesetzte Betrachter und Besucher der Szenerie.
* Vera Hilgers riesiges Gemälde „Pulsar“ – ein Sternenhimmel fürwahr, aber einer mit Rousseauscher Qualität. Anders kann ich das nicht beschreiben. Ich kauf mir bald das passende Schlafzimmer dazu… 😉
* Olaf Moojs Auto-Installation (auf dem Video sehr schön zu sehen). Eines der mehr irritierenden Objekte, weil: so völlig klar, Autoteile in Formaldehyd eingelegt und präsentiert wie im verlassenen Präparationslager. Der Abscheu bleibt und ist gewollt. Gut so.
* Olaf Rößler (die Bilder sind auch auf der Website zu sehen) – für mich die stärkste Arbeit. „Black as Pitch“, eine völlig verdunkelte Dorflandschaftsserie („Oderwitz“, „Tauchnitz“ usw.), die aber weniger „Licht aus im Osten“ sagt als vielmehr eine faszinierende Schönheit im Dunkel offenbart – weniger schemenhaft, sondern in klare Einsamkeit gegossen.
* Rolf Kirsch – „Statistik“ ein großes Bild voller Katastrophen in erschreckender Realistik, aufgefächert wie eine Google-Bildsuche. Die Fragen „gucken wir uns das an“ und „nach was suchen wir“ tauchen auf, die Verstörung bleibt, weil da so gar nichts ist, was wir „mitnehmen“ wollen.
* Lilith Love – eine Fotoserie von Frauen, die zumeist nackt in eine Räumlichkeit inszeniert werden und damit auch zum „Objekt“ werden, aber hier Abstraktion erfahren und aufgrund ihrer Positionen und Blickwinkel Geschichten erzählen.
* MK Kähne „Fight“ – ein Foto einer um was auch immer fightenden „feinen Gesellschaft“, prall und dynamisch wie Rubens „Sturz des Phaetons“ – von dieser Energie hätte ich gerne mehr gesehen.
* und schließlich „Doade.Bake.Blaze.Bubble.Cane.Chief.Spark.Choof.Fresh.Sesh.Smoo. Clam.Hot.Wake.Dutchy.Strummin.Blizz.Cut“ von Gallery Fist – eine Rauminstallation, die auf den ersten Blick Ablehnung erzeugt ist, weil es das übliche Wandgeschmiere und Vollgemülle zu sein scheint. Trugschluss. Auf merkwürdige Weise fühlte ich mich in den beiden Räumen pudelwohl und merkte nach und nach, dass die Anordnung von Objekten, Licht, „Zeugs“ gar nicht „müllen“, sondern „leben“ will und das ziemlich dralle. Das unterstütze ich.

Sollte ich nun die absoluten NoGo’s zu meinen Highlights gekürt haben, bitte ich um kurzen und heftigen Applaus. Und Kommentare. Bitte stören Sie.

NB: Bei der SLUB Dresden ist bereits der Katalog digitalisiert abrufbar.

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