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Orphische Gesänge von Beethoven, Liszt und Strauss

Radu Lupu und Christian Thielemann im Kapell-Konzert

Mal hat er eine Lyra oder Laute, später sind es Harfen und Geigen, die seinen Gesang verkörpern, oder er tritt gleich in persona in den ihm gewidmeten Opern in Erscheinung: die mythische Gestalt des Orpheus hat Künstler in allen Epochen beschäftigt – von „orphischen“ Klängen war auch das 7. Sinfoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle durchzogen. Auch wenn Richard Strauss sich in seiner Tondichtung „Ein Heldenleben“ nicht explizit darauf bezieht, ist auch dort die orphische, durch Nietzsches Deutung vom Werden und Vergehen des Menschen geprägte Atmosphäre nicht zu leugnen.

Begonnen wurde aber mit der sinfonischen Dichtung „Orpheus“ von Franz Liszt, die der Komponist 1854 für das weimarische Kulturleben verfasste. Chefdirigent Christian Thielemann formte eine von den ersten Tönen an sorgfältige, auf weichen und strömenden Klang bedachte Interpretation.

Ein besonderes Erlebnis war dann die Aufführung des 4. Klavierkonzertes G-Dur von Ludwig van Beethoven. Auch dieses Werk darf durchaus orphisch gedacht werden, weniger von der programmatischen Zuschreibung des zweiten Satzes her als vielmehr von der Emanzipation des künstlerischen Ausdrucks. Als Solist war der diesjährige Capell-Virtuos Radu Lupu zu hören. Der rumänische Künstler ist unbestritten einer der ganz großen Pianisten der Gegenwart. Seine Beethoven-Interpretation war von einer geistigen Durchdringung geprägt, die sich bereits in den ersten Takten im Solo-Thema andeutete. Es war wohl die melancholischste, vielleicht auch schattigste Variante, die man je von diesem G-Dur-Konzert gehört hat. Ein feiner Lyrismus und ein fast lapidarer, manchmal auch distanziert wirkender Zugang Lupus zur Partitur durchzog nahezu alle Sätze.

Radu Lupu versah die Musik mit einem höchst differenzierten, ebenso vorsichtig angelegten wie spontan die Musik erforschenden Anschlag. So konnte man sich tief in die Musik hineinbegeben, wurde nie gestört durch Äußerlichkeiten oder gar den interpretatorischen Zeigefinger. Thielemann und das Orchester nahmen den großen Ernst, den Lupu verströmte, sofort auf und gaben sich hochkonzentriert den vielen Reaktionen und Kommentaren hin, so dass schon vor der von Lupu kristallklar ausgeführten Kadenz im 1. Satz der sinfonische, dialektische Charakter dieses Konzertes klar ausgebreitet wurde. Nach dem von Nachdenklichkeit geprägten zweiten Satz war im Finale kein flotter musikalischer Kehraus gefragt, eher prägte Lupu die Motive dieses Satzes mit einer fast philosophischen Gelassenheit, die dem Hörer Raum gab, Dinge selbst zu verknüpfen oder zu deuten. Solch einer reifen, auch mutigen Haltung muss man höchsten Respekt zollen.

Schließlich ertönte mit auftrumpfender Geste am Beginn der orphischen Gesänge dritter Akt: Strauss‘ Tondichtung „Ein Heldenleben“ ist ein opulentes und dankbares Abschlusswerk, in welchem die Kapelle all ihre Stärke und Erfahrung als Strauss-Orchester mit brillantem Klang zeigte. Dies gelang natürlich erst recht vorzüglich, da Christian Thielemann stets klare und eindeutige Zeichen gab, die aber nie das Spiel einengten. Schön, dass Thielemann sich insbesondere in den Themenvorstellungen nicht zu sehr den Details hingab, sondern die Spannung bereits auf den nächsten Abschnitt lenkte.

So wirkten des Helden Dramen glücklicherweise nicht ganz so schwergewichtig wie von Strauss ersonnen – trotzdem zelebrierte die Kapelle natürlich den orchestralen Siegeshöhepunkt mit größtem Genuss: angesichts der hervorragend entfalteten, nuancenreichen Farbigkeit in allen Orchestergruppen machte das Zuhören auch noch im von Strauss doch arg ausgedehnten letzten Drittel des Stücks schlicht Spaß. Und nur begeistert war man von dem temperamentvoll und klangsinnig gestalteten Solo von Konzertmeisterin Yuki Manuela Janke – sie wäre für Jubilar Richard Strauss mit Sicherheit eine äußerst empfehlenswerte „Gefährtin“ seines Helden.

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