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Duette, Interaktionen und ein großes Drama

Werke von Martinů, Hefti und Tschaikowsky beim Moritzburg Festival

Gestaltet man ein Konzertprogramm mit Kammermusik aus, wird man selten in die Verlegenheit kommen, dass die Abfolge der Werke zu eintönig gerät: die Literatur ist immens, die Besetzungen variabel und selbst wenn „nur“ ein Streichquartett spielt, sind von Haydn bis zur neuesten Musik alle Möglichkeiten offen. Beim Moritzburg Festival kann man innerhalb von gut zwei Wochen genau diese Vielfalt fast täglich erleben und das Konzert am Mittwochabend im Schloss war ein schönes Beispiel für ein kontrastreiches Programm.

Vom tschechischen Komponisten Bohuslav Martinů (1890-1959) hört man hier und da in Konzerten mal ein Stück, aber sein umfangreiches, farbiges OEuvre harrt eigentlich noch einer Entdeckung. Die Aufführung der „Drei Madrigale“ für Violine und Viola gelang sehr gut – keineswegs ist dies ein Stück für die sprichwörtliche Kammer oder den Salon. Mit viel rhythmischen Pfeffer wussten Hyeyoon Park (Violine) und Hartmut Rohde (Viola) die Partitur mit Leben zu füllen, sorgsam gingen sie auch mit der fast märchenhaft anmutenden Triller-Welt des 2. Satzes um. Dass hier und da ein paar sehr „fies“ komponierte Sprünge nicht auf den Punkt saßen, war angesichts der spannungsreichen, im Duett hervorragend aufeinander abgestimmten Aufführung zu vernachlässigen.

Dem Composer-in-Residence, David Philip Hefti gebührte der Platz vor der Pause im ersten Konzertteil. Nach seiner Uraufführung tags zuvor konnten die Zuhörer nun ein älteres Kammermusikwerk erleben – „Interaktion“ für Klavierquartett. Dankbar zeigten sich die Interpreten, das bereits aufgetretene Duo sowie Harriet Krijgh (Cello) und Oliver Triendl (Klavier), dass der Komponist nicht nur anwesend war, sondern die Aufführung auch dirigierte. Das ist zwar bei einem Kammermusikwerk dieser Größenordnung nicht unbedingt notwendig, aber verleiht den Musikern im besten Fall ein Fundament, auf dem die neuen Klänge gedeihen können. Hefti leitete sein Stück mit Bedacht und ließ den Musikern auch die nötige Freiheit – so entstand fast ein impressionistischer Eindruck des Malens. Heftis Musiksprache indes ist insofern eingängig, da Formen und musikalische Semantik durchaus bekannt, manchmal sogar merkwürdig gebändigt erscheinen – dadurch war sogar der große Klaviermonolog am Ende fast voraussehbar.

Man könnte vermuten, dass ein großes Werk des romantischen 19. Jahrhunderts nach der Pause zum Zurücklehnen und zur Entspannung einzuladen bestimmt war, doch damit war man auf dem Holzweg – und das war gut so. Denn so wie die drei Interpreten Mira Wang (Violine), Jan Vogler (Cello) und Lise de la Salle (Klavier) bei Peter Tschaikowskys Klaviertrio Opus 50 in jedem Takt auf der vordersten Stuhlkante saßen, gingen auch die Zuhörer mit. Dieses 50-minütige Stück – geschrieben im Eindruck des Todes von Tschaikowskys Freund und Förderers Nikolai Rubinstein – schreibt sich viel Intensität, gar das ganz große Drama auf die Fahnen, und hat man einmal zu Tschaikowskys Art, etwa eine eigentlich simpel scheinende Rückführung zur Haupttonart über Minuten mit immer wieder anrollenden Gefühlswellen zu strecken, Zugang gefanden, so konnte man eine nur grandios zu nennende Aufführung verfolgen. Die Musiker nahmen das Werk höchst ernst, arbeiteten bei allem notwendigen und mit vollem Einsatz auch durchgezogenen Klanggewitter auch stets die leisen Nuancen der BItternis und Einsamkeit heraus. Die nicht selbstverständliche Homogenität der drei Interpreten mit absolut sicherer Tempovorgabe sowohl im Variationssatz als auch in dem von Leidenschaften gepeitschten ersten Satz war dann das Sahnehäubchen einer spannungsgeladenen Interpretation, nach deren letzten im Trauermarsch ersterbenden Tönen auch das Publikum erst einmal Luft holen musste.
(18.8.)

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