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Kammermusik im Orchester verwirklicht

Eröffnungskonzert des Moritzburg Festivals in der Gläsernen Manufaktur

Steigende Temperaturen, saisonal bedingte Abwesenheit klassischer Konzerte in der Stadt und eine auffällige Häufung zu Proben pilgernder Instrumentalisten nahe Augustens Jagdschloss lassen kalendarisch nur einen Schluss zu: das Moritzburg Festival beginnt. Die 21. Auflage des Kammermusikfestivals startete – dies auch schon zum zehnten Mal – in Dresdens Gläserner Manufaktur mit dem Eröffnungskonzert, das von der Festival Akademie ausgestaltet wird.

Die Akademie ist seit Jahren fester und wichtiger Bestandteil; bereits eine Woche vor den öffentlichen Konzerten proben und feilen in diesem Jahr 40 junge Musiker aus 16 Nationen gemeinsam mit den Profis an der Kammermusikliteratur. Im „Moritzburg Festival Orchester“ finden sie sich im großen Ensemble zusammen, das in diesem Jahr vom renommierten Cellisten und Dirigenten Heinrich Schiff geleitet wird. Das Programm gab sich in diesem Jahr mit Vivaldi, Mozart und Beethoven auf den ersten Blick unspektakulär, jedoch war einiges an Finesse darin, denn schon im ersten Werk schien der Kammermusikgedanke verwirklicht: das Konzert für vier Violinen, Streicher und Basso Continuo h-Moll von Antonio Vivaldi sprudelt vor Lebendigkeit und stetig müssen die vier Solisten sich gegenseitig die Bälle zuspielen. Nikki Chooi, Timothy Chooi, Theresa Lier und Mira Wang gelang das vortrefflich und Schiff gab einen gelassenen und zuweilen pointierten Orchesterklang hinzu.

Mit dem Klarinettenkonzert von Wolfgang Amadeus Mozart stand dann ein bekannter „Klassiker“ auf dem Programm, mit dem nahezu jeder große Klarinettenvirtuose seine Visitenkarte präsentiert. Die Größe des Werkes liegt nicht zuletzt darin, dass es einen weiten Raum der Ausdruckswelten und der Deutung anbietet, der die Solisten zu unterschiedlichen Herangehensweisen berechtigt. Daniel Ottensamer, Solist der Wiener Philharmoniker, hat in den letzten Jahren mit seinem Spiel internationales Renommee erlangt – in der Manufaktur zeigte er das gesamte Konzert in einer staunenswert durchgehaltenen Pianokultur mit überaus weichen Ansätzen, Läufen und sanfter Themengestaltung. Diese absolut noblen und mit höchster Souveränität dargebotenen technischen Fähigkeiten dürften einzigartig sein – allerdings tauchte nach den drei Sätzen doch die Frage auf, ob dieser komplett in Samt und Seide gehüllte Mozart in der Ästhetik eines „Bloß nicht“ nicht auch Ausdrucksebenen verschwieg. In dieser einer „sanften Perfektion“ huldigenden Lesart war das Hörerlebnis auf jeden Fall außergewöhnlich und beeindruckend.

Was sich mit einem zu deutlich verstärkten Cembalo im Vivaldi-Konzert bereits angedeutet hatte, wurde bei der Aufführung von Ludwig van Beethovens 7. Sinfonie A-Dur zum Ärgernis: Tontechnische Unterstützung bei Klassik-Konzerten scheint in der VW-Manufaktur ein bleibendes Problem darzustellen. Mit der überzogenen Verstärkung der Violinen wurde aus der Beethoven-Sinfonie ein akustisches Kunstprodukt, deren Aufnahme kein Genuss mehr war, so sehr auch von der Bühne höchstes Engagement strahlte. Von den tiefen Registern wie von den Bläsern war kaum etwas zu hören, wenn die Geigen in die hochgeregelten Mikrofone spielten. Trotz dieser Unzulänglichkeiten konnte man sich darüber freuen, dass die Akademisten mit großem Einsatz und nie versiegender Konzentration zu Werke gingen – besonders schön gelang der erste Teil des zweiten Satzes. Man merkte der Interpretation deutlich an, dass es – vermutlich hatte Mozart seine Spuren hinterlassen – Heinrich Schiff viel um atmendes, gesangliches Spiel ging. Für die jungen Musiker dürfte dies bereits der erste Höhepunkt der zwei Moritzburg-Wochen gewesen sein, dem Publikum stehen nach dem Eröffnungskonzert nun rund ein Dutzend Konzerte in Dresden, Moritzburg und der Umgebung bevor.

(11.8.)

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