Auf allen Bühnen der Welt ist das französische Klavierduo Katia und Marielle Labèque zu Hause – im Dresdner Kulturpalast interpretierten sie Mozarts Konzert für zwei Klaviere. Dazu gab es Opulentes von Richard Strauss und eine frühe Sinfonie des Salzburger Wunderkinds.
Wenn es überhaupt so etwas wie einen musikalischen Alltag gibt, dann ist er von den Musikern selbst meist besonders gefürchtet, hat man doch zumeist den Anspruch, jedes Konzert, jede Darbietung zu etwas Besonderem werden zu lassen. Nach der Saisoneröffnung der Dresdner Philharmonie mit Mahlers 8. Sinfonie fällt die Überbietung zumindest in besetzungstechnischer Hinsicht aus – doch, so ungeliebt das Wort auch sein mag, der Alltag im neuen Kulturpalast eine ebenso wichtige Erfahrung, und das Hineinwachsen in den neuen Saal wird mit jedem neu erschlossenen Stück, aber selbstverständlich auch mit den Impulse setzenden Dirigenten und Interpreten intensiver und vertrauter. Am vergangenen Freitag erfüllten im Philharmoniekonzert Klänge von Mozart und Strauss den Saal.Entgegen den Gerüchten auf der Straße vom „komplett ausverkauften Kulturpalast“ blieben in diesem Konzert erstaunlicherweise viele Reihen leer, obwohl die Philharmonie ein sehr spannendes Programm offerierte.
Der größtmögliche Kontrast zwischen der B-Dur-Sinfonie KV 22 des 9-jährigen Wolfgang Amadé und Strauss‘ opulentem Heldengemälde war schon ziemlich amüsant, zumal man beiden Werken nicht unbedingt der Weisheit letzten Schluss zuordnen möchte. Vater Leopold hatte noch den Radiergummi parat, und dieser erste Prototyp der Mozartschen Sinfonie wirkt wie ein Smoothie: alles drin, kerngesund, und nach acht Minuten ist der Genuss auch schon vorbei. Das war der Starter, den Chefdirigent Michael Sanderling und die Dresdner Philharmonie vor das Klavierkonzert Es-Dur KV 365 gesetzt hatten – ein ungleich bekannteres Werk, erst recht verbreitet durch ein Klavierduo, deren Name seit über dreißig Jahren in aller Welt wie kein anderes für Glanz und Gloria und nebenbei jeder Menge kreativer Impulse an zwei Flügeln steht: Katia und Marielle Labèque. Das französische Schwesternpaar hatte allerdings keinen guten Abend erwischt. Viele Ungenauigkeiten waren über den ersten Satz verstreut, das betraf weniger das Zusammenspiel der beiden als vielmehr den gemeinsamen Mozart-Atem, der überhaupt nicht aufkommen wollte. Viel zu nervös und verstolpert waren Läufe und Phrasenenden der Themen, und war die manierierte Vorhaltsbehandlung im 2. Satz bloß ein Effekt? Die merkwürdige Pedalisierung des Endes dieses Satzes und ebenso in der Kadenz im 3. Satz war es sicherlich, das hat das Werk allerdings kaum nötig.
Tröstlich war die an einem Klavier vierhändig gegebene Zugabe aus Maurice Ravels „Ma mère l’oye“, wo endlich Delikatesse und Gefühl spürbar war. Michael Sanderling hatte mit dem Orchester souverän begleitet und nahm den Dank der Schwestern gerne entgegen, ein Glanzlicht war diese Aufführung jedoch nicht. Dafür war man nun gespannt auf den philharmonischen Strauss-Klang im Kulturpalast, bislang erst im Mai von einem amerikanischen Jugendorchester erprobt. Wer die 1899 uraufgeführte Tondichtung „Ein Heldenleben“ bestellt, hat bei der Strauss-Speisekarte sicherlich die Schlachteplatte gewählt, aber Michael Sanderling ging es keinesfalls grobschlächtig an, sondern überzeugte mit einem transparenten Klang und präziser Spielhaltung, die immer Raum zum impulsiven Vorwärtsdrängen oder zu innigem Verweilen gab. Dazu bot natürlich das große Violinsolo reichlichen Anlass und Wolfgang Hentrich kostete dieses auch wunderbar aus – mit einem Temperament, das diesen Part nicht zur billigen Pièce verkommen ließ, sondern die Episode sanft in den Kontext einbettete. Überhaupt waren die Streicher in dieser Aufführung die wahren Helden, ein wunderbar gemeinsames Agieren war im gesamten Werk vernehmbar. Dass den Bläsern die Partitur trotz einiger heikler Passagen besonders entgegenkommt, sorgte nicht nur für viel Hörnerglanz und ein warmes Englisch-Horn-Solo, sondern auch für einen am Ende fast entspannt wirkenden Ausklang.
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