Staatskapelle Dresden begeht ihren 470. Geburtstag im Kulturpalast Dresden
Es ist diesmal beinahe ein runder Geburtstag, aber seit einigen Spielzeiten wird das Jubiläum der Staatskapelle Dresden auch jährlich mit einem Sonderkonzert begangen, das mal in der Schlosskapelle, mal in der Semperoper stattfand, nun aber rund siebzehn Monate nach der Wiedererröffnung einen weiteren kapelltraditionsreichen Ort der Stadt aufsuchte, den Kulturpalast. In dessen altem Saal spielte die Dresdner Staatskapelle bis 1992 regelmäßig, danach nur noch sporadisch, wie etwa beim Flut-Konzert 2002 mit Bernard Haitink, als die Semperoper unbespielbar war. Nun also gelang endlich das Debüt im neuen Saal, nachdem einzelne Kapellmusiker schon zu verschiedenen Konzertgelegenheiten beteiligt waren und so Atmosphäre und Akustik in Augenschein nehmen konnten. Und siehe da: beim ersten Auftritt der Kapelle im Kulturpalast am Sonnabend hatten sich mindestens drei saalerfahrene Philharmoniker unter die Kapellisten gemischt, was aber wohl weniger dem Adrenalinsenken der Kollegen geschuldet war, sondern die selbstverständliche, unkomplizierte Musikerhilfe innerhalb der Stadt beschreibt.
Das Geburtstagskonzert war in seinen ersten Ausgaben noch ein dramaturgisch begleitetes Konzert mit Elementen Dresdner Musikgeschichte. Mittlerweile hat es sich zu einem weniger aufschlussreichen, eher unterhaltsamen Sinfoniekonzert gewandelt – Brahms passt sowieso immer, und das Gastspiel im Rudolfinum Prag einen Tag zuvor sorgte wohl dafür, dass Musik von Antonín Dvořák am Kapell-Festtag auf dem Programm stand. Orchesterdirektor Jan Nast nahm das freudige Ereignis zum Anlass, den Beteiligten der Staatskapelle vor und hinter der Bühne coram publico zu danken. In paralleler Vorbereitung der Oper „Moses und Aron“ von Arnold Schönberg haben die Musiker derzeit ein nicht unerhebliches Pensum zu bewältigen. Grüße überbrachte Nast von dem in Urlaub befindlichen Christian Thielemann. Es löst zumindest Verwunderung aus, dass der Chefdirigent das Geburtstagskonzert des Orchesters wie auch das in der Ausstrahlung nicht unwichtige Debüt im neuen Konzertsaal der Stadt nicht selbst übernahm – die Prioritäten scheinen woanders zu liegen. „Kommen Sie doch rüber!“, warb Jan Nast für sein Ensemble und erntete dafür einiges Schmunzeln – die Konzertbesucher werden ihre Vorlieben selbst festlegen, und die Staatskapelle wird ohnehin auch in den Kulturpalast zu einzelnen Konzerten wiederkehren. Einstweilen ist festzuhalten, dass die Staatskapelle Dresden die Wieder-Erstbespielung am Altmarkt sehr erfolgreich und am Ende gar mit Jubelrufen aus dem Publikum absolvierte, so dass es noch einen Wagnerschen Zuckerguss auf die Geburtstagstorte obendrauf gab: Lohengrin, Vorspiel zum 3. Akt, natürlich.
Zuvor hatte der in Pittsburgh wirkende Gastdirigent Manfred Honeck, der schon mehrfach bei der Staatskapelle dirigierte, eine von ihm zusammengestellte Orchestersuite aus der Oper „Rusalka“ von Antonín Dvořák präsentiert. Das berühmte „Lied an den Mond“ blieb der Solovioline von Roland Straumer vorbehalten, und die Höhepunkte der Oper formten sich zu einer sich klug in den Temperamenten abwechselnden sinfonischen Dichtung. Mit warm strömender, berührender Stimme sang die Mezzosopranistin Bernarda Fink anschließend die fünf biblischen Lieder von Dvořák in der Originalsprache. Es war ein Höhepunkt des Konzertes, weil eine besondere Künstlerin und die ehrliche Musiksprache des Komponisten auch die Musiker zu einer tollen interpretatorischen Leistung hinrissen, wohingegen die Suite noch im besten Sinne unterhaltend war. Es ist schön zu wissen, dass eben im Kulturpalast solche Höhepunkte eben auch ohne Pomp und Phonstärke gelingen, sondern im Hinhören und im Verfolgen einer einfachen Melodie eines von Dvořák wunderbar komponierten Psalms sich große Schönheit offenbaren kann.
Mit solcher Vorarbeit in der Empfindung konnte die 3. Sinfonie F-Dur von Johannes Brahms nach der Pause starke lyrische Kräfte entfalten. Bei all dem flächigen, manchmal auch etwas bauchigem Legatospiel wäre rund um das Hauptthema im 1. Satz eine prägnantere Sicht auf die Dinge möglich gewesen, hingegen waren Honecks Tempi bis auf das etwas ausbrechende Trio im 3. Satz wunderbar flüssig und doch atmend. Die Staatskapelle kostete lustvoll die Klangfarben und die Dynamik in den leisesten Bereichen aus; im Tutti klang das Orchester gewohnt rund und bis in die Nebenstimmen transparent. Die insgesamt sanfte Haltung der Brahms-Sinfonie brachte Manfred Honeck zu einem schönen Abschluss, indem er mit gehobenen Händen ein Nachklingen in der Stille ermöglichte.
- Weitere Konzerte der Staatskapelle Dresden im Kulturpalast finden am 27. November 2018 (Sonderkonzert Peter Eötvös) und am 19. Juni 2019 (Sonderkonzert 10. Schostakowitsch-Tage Gohrisch) statt
Foto (c) Matthias Creutziger
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