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Mit fantastischer Transparenz

Sinfoniekonzert der Dresdner Philharmonie im Kulturpalast

In den gut zwei Dutzend Klavierkonzerten, die Wolfgang Amadeus Mozart schrieb, befinden sich nicht nur offenkundige Perlen wie die späten Konzerte oder das „Krönungs-Konzert“. Dass zum Anlass des letztgenannten, nämlich der Krönung von Leopold II in Frankfurt am Main ein zweites Konzert auf das Programm gesetzt wurde, unterstreicht die Bedeutung des F-Dur-Konzertes, selbstverständlich für einen akademisch-höfischen Anlass. Und diese Galantheit, diesen niemals anbiedernden, doch gelassen musikantischen Charakter strahlt dieses Konzert als versteckte Perle unter den vielen großen Klavierkonzerten auch aus – allein: dazu muss man es erwecken! Die Dresdner Philharmonie tat dies bereits in den Eröffnungstakten, die der junge US-amerikanische Gastdirigent Robert Trevino mit ordentlich Lebendigkeit und Temperament anreicherte.

Mit dieser geistvollen Leichtigkeit wollte auch die Solistin Elena Bashkirova sogleich mitgehen, was aber im Konzert am Freitag nicht wirklich gelingen wollte, obwohl ihr technisches Vermögen und auch ihre stilistischen Mittel für Mozart durchaus in der atmosphärischen Nähe der Orchestereinleitung befindlich waren. Jedoch sprang der Funke nicht ganz über, da ihre Artikulation oft an der Oberfläche der Musik haften blieb und die metrische Basis merkwürdig unaufgeräumt, fast unruhig erschien. Schön gelang ihr der 2. Satz, hier hatte auch die siebenköpfige Bläserformation der Philharmonie nach den Wirbeleien des 1. Satzes wunderbare Farben zugegeben. Im 3. Satz irritierte Bashkirovas undeutliche Themenartikulation, und auch ihre Ausgestaltung der Kadenzen geriet eher kantig, was aber verdeutlicht, dass gerade die minimal über dem Boden schwebende, dennoch tief weisende Leichtigkeit Mozarts Interpreten immer wieder vor große Herausforderungen stellt. Interessant war dann zu beobachten, dass Elena Bashkirova in der Schumann-Zugabe in einer ganz anderen Welt weilte, die an diesem Abend viel intensiver und ehrlicher im Ausdruck wirkte.

Pausengong, Weltenwechsel! Für Arnold Schönbergs 1905 entstandene sinfonische Dichtung „Pelleas und Melisande“ füllte sich die Bühne mit gut 100 Musikern, während offenbar für einige Konzertbesucher allein der Ausruf „Schönberg!“ immer noch einen Fluchtreflex auslöst. Die, zugegeben, wenigen Damen und Herren haben allerdings ein wirklich rundes, mitreissendes Musikerlebnis verpasst, und dass ein Rezensent nach der Uraufführung Schönberg tatsächlich in eine Irrenanstalt verwünschte, ist ein heute kaum mehr nachvollziehbares Zeugnis. Robert Trevino gehört zu einer jungen und rasch aufstrebenden Dirigentengeneration. Er überzeugt nicht nur durch ein absolut solides und sicheres Handwerk, sondern auch durch eine vom ersten bis zum letzten Takt dieses wahrlich nicht einfach zu bewältigenden Werkes deutlich spürbare Aussageabsicht. Trevino ordnet dieses Stück genau auf den Grenzlinien des Fin de Siècle ein und führt es damit zu extremer Spannung, weil das Schwanken zwischen spätromantischem Pathos und dem letztlich ebenfalls überzeichneten Ausbruch ins Neue, in psychologische Tiefenschichten greifbar wurde. Und das vor allem deswegen, da Trevino im Riesenensemble eine fantastische Transparenz der vielen übereinandergeschichteten Stimmen und Linien erreichte.

Dafür zeigten sich die Musiker dankbar und belohnten den Interpretationswillen des Dirigenten mit Hochspannung an der Stuhlkante. Sehnsuchtsvolles Wogen bekam ebenso Raum wie die marternden Schreie von Verlust und Zerstörung der Liebe zwischen Pelleas und Melisande – Maeterlincks Drama bekam in dieser Aufführung gleißende Farben. Eine hier auch extra zu vermerkende sehr gute Gesamtintonation (in dieser Polyphonie keinesfalls selbstverständlich!), organisch sich entladende Steigerungen sowie die großartigen Melisande-Soli von Isabel Kern am Englischhorn waren die Bestandteile einer enorm guten Aufführung, die die Philharmonie in derzeit bester Verfassung zeigt.

Foto Elena Bashkirova (c) Nikolaj Lund

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Veröffentlicht in Rezensionen

Ein Kommentar

  1. mir hat das konzert auch sehr gut gefallen – und ich bewundere immer noch alle beteiligten künstler wie souverän sie nach einem medizinischen notfall im 3.satz des klavierkonzertes in selbiges zurückgefunden haben!

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