1. Aufführungsabend der Staatskapelle Dresden in der Semperoper
Obschon die größten Menschenansammlungen derzeit im Einkaufsrummel oder auf den Weihnachtsmärkten angetroffen werden, konnte die Staatskapelle Dresden sich hocherfreut zeigen, dass am Dienstagabend erstaunlich viele Besucher den Weg zum 1. Aufführungsabend des Orchesters gefunden hatten – das Rund der Semperoper war gefüllt mit interessierten Zuhörern. Das könnte an den Hausgöttern Strauss und Mozart gelegen haben oder auch am Debüt des in Dresden als Leiter des Festspielorchester bestens bekannten Dirigenten Ivor Bolton. Der jedenfalls ist immer für eine spannende Interpretation gut und lockte beim Kapellpublikum überschäumende Reaktionen hervor – und das nach einer Mozart-Sinfonie!
Doch der Reihe nach. Kennen Sie das, wenn Sie zur dunklen Jahreszeit das Puzzle mit den 1000 Teilen am Boden verstreut vor sich liegen haben, die Farben schon ein wenig vom Bild künden und hier und da ein Detail ins Auge blitzt? Ähnlich muss es dem Capell-Compositeur Peter Eötvös bei „Da capo – Dialog mit Mozart“ gegangen sein, einem vor zwei Jahren entstandenen Orchesterstück, das Fragmente aus Notizbüchern von Mozart mit der facettenreichen modernen Musiksprache von Eötvös verbindet. Heraus kommt ein aberwitziges Pasticcio, das sich mehrfach verknotet und verheddert, ohne dass es jemals die Tendenz zum Lustvollen und Spielerischen verlöre. Kurz denkt man beim Zuhören darüber nach, ob Humor in der Musik denn wirklich funktioniert, da purzeln die nächsten Noten eine imaginäre Treppe hinunter, Trompeten unterbrechen jäh das Parlando der Streicher während einige Holzbläser noch in einem Alberti-Bass festhängen. Soll noch einer sagen, dass zeitgenössische Musik keinen Spaß macht. Der Grat indes ist schmal, aber das war schon zu Mozarts Zeiten so. Und am besten gelingt eine solche Musik, wenn sie im Wortsinn ernstgenommen wird, und genau dies war der Fall bei Boltons sorgfältigem Dirigat, unter welchem jedes Puzzleteil eben seinen Platz im Gefüge bekam.
Großes Staunen entwickelte sich fühlbar beim Publikum beim folgenden Solokonzert, dem 2. Hornkonzert von Richard Strauss, darüber, wo denn der Solist Zoltán Macsái, seit 2016 Solohornist der Kapelle, denn bitte bei diesen eklatant langen Passagen seinen Atem hernehme. Dabei beeindruckte Macsái außerdem mit einer enormen Tonsicherheit und phrasierte dabei die im dritten Satz über drei Oktaven hinwegfliegenden Melodien des Altmeisters aus, als würde er ein schlichtes Volkslied singen. In feiner Aufmerksamkeit folgte das Orchester mit meist sehr zurückgenommener Begleitung, staunenswert waren auch die völlig selbstverständlich intonierten Dialoge zwischen Solohorn und Solooboe (Céline Moinet). Dass die etwas hingegossene Geschwätzigkeit des Werkes im Gegensatz zum bereits erklungenen geistvollen Eötvös und dem ebenso genialen Wurf der g-Moll-Sinfonie von Mozart trotzdem schwächer wirkte, liegt eher an der von Strauss selbst eingestandenen „Handgelenksübung“ des Komponierten, während die Welt um ihn herum zur Entstehungszeit um 1942 gerade versank: diese Idylle hat deutliche Kratzer.
Anders als diese „Übungen“ aus Garmischer Gemütlichkeit heraus hat Wolfgang Amadeus Mozart mit der Trias seiner drei späten Sinfonien ein gewaltiges Vermächtnis komponiert, und jede dieser Sinfonien ist in ihrem Ausdruck und ihrem Wagemut des Neuen einzigartig gelungen. Dass das Neue auch im Schlichten, Einfachen liegen darf, war der deutliche Augenmerk von Ivor Bolton in der Interpretation der Sinfonie g-Moll KV 550. Ein moderates Tempo des 1. Satzes zwang zum Hinhören, nirgends gab es eine Überspannung, eher ein natürliches Hineingleiten in die Schönheiten dieses Satzes. Das setzte sich auch im „con moto“ fortschreitenden Andante fort. Weiche Akzentuierung und ein wissendes Ausformen der Harmonik etwa in Kadenzen und Übergängen führten zu einer klanglich kernigen, aber eben nicht abrupt in jedem Takt etwas Besonderes wollenden Ausdeutung der Musik. Solcherart gelang diese Sinfonie perfekt in dem Sinne, dass ihrem besonderen Charakter ein guter Raum gegeben wurde. Das erlebt man selten.
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