Marek Janowski zum 80. Geburtstag
Inbesondere dem in der gleichen Stadt aufgewachsenen Autor dieser Zeilen ist es ein Bedürfnis auszudrücken, dass der gelegentlich durchschimmernde rheinisch-bergische Akzent des Dirigenten Marek Janowski den Dresdnern aufgrund der Gemeinsamkeit in einer, nennen wir es kantig-schnoddrigen Attitüde, die dem Sächsischen ebenfalls innewohnt, gar nicht so unsympathisch daherkommen dürfte. Wir reden da nämlich alle so, und wir meinen das, was wir sagen – in der bergischen Metropole Wuppertal, wo der in 1939 in Warschau geborene Dirigent Marek Janowski in unsteten Nachkriegszeiten zur Schule ging und aufwuchs. Und obwohl Janowski, der am Montag seinen 80. Geburtstag feierte, mittlerweile ein Weltbürger geworden ist und seine Chef- und Gastdirigentpositionen um den halben Erdball verteilt sind, ist ihm diese Heimat stets wichtig, mehr noch: die sagenumwobene brachiale Herzlichkeit des Völkchens an der Wupper muss er auch in sein Künstlerherz aufgesogen haben. Denn fragt man heutzutage Musiker, was sie Marek Janowski verdanken, so hört man vor allem Worte wie Integrität, Lauterkeit, Kollegialität, aber auch den Wert einer harten, fokussierten Arbeit am musikalischen Objekt, wie es kaum ein anderer Dirigent zu leisten vermag. Ganz ohne die ihm eigene Ironie äußerte Janowski einmal „Wenn ich etwas kann, dann ist es proben.“
Das wiederum dürften ihm heute etliche gestandene Musiker attestieren, die ihm einmal in Jugendorchestern oder Hochschulensembles begegneten. Janowski war immer um den Nachwuchs, den Aufbau von Akademien, das Heranführen der nächsten Generation an den Orchesteralltag mit all seinen Anforderungen sehr bemüht. Und wer mit ihm als junger Musiker einmal eine Bruckner-Sinfonie erarbeitet hat, verinnerlicht quasi instinktiv, an welchem Übergang es wohin zu horchen gilt, oder wie man eine Tonansprache im Blech messerscharf auf den Punkt setzt. Janowski ist ein Verfechter der Klarheit des Tuns und des Aussprechens über dieses Tun, der Annahme einer klaren Haltung und Konzeption sowohl in einer Probe als auch im Sprechen über Musik. Dass dies einen musikalischen Interpretationsspielraum mitberücksichtigt und nicht der Weisheit letzter Schluss sein muss, beschreibt die Achtung, die Janowski seinen Musikern und ihrem Vermögen immer entgegenbringt.
Die Erfolge seines Tuns lassen sich an den Wirkstationen Janowskis ablesen. In Deutschland durchlief er nach dem Studium zunächst eine klassische Kapellmeisterkarriere, bei der er natürlich alles an praktischer Erfahrung im Konzert- und Opernbetrieb mitnahm. Dabei hat sich Janowski über die Jahre eine enorme Bandbreite des Repertoires von Haydn und Mozart bis hin zu wegweisenden Werken des 20. und 21. Jahrhunderts zugelegt, mit Schwerpunkten vor allem in der Spätromantik und der klassischen Moderne, die er auch zumeist im Konzert auswendig dirigiert. Mit Stationen bei Orchestern und Stadttheatern in Freiburg, Dortmund, Köln, Hamburg und Liverpool erarbeitete sich Janowski sehr bald einen Namen und der eigene hohe Anspruch und seine enorme Aktivitätslust wurde mit immer neuen Herausforderungen und Impulsen gesättigt. Erst später zeigt sich sehr deutlich seine Vorliebe der nachhaltigen und konsequenten Entwicklung, ja Erziehung, der ihm anvertrauten Ensembles.
Um 1983 begann dann Janowskis dann weit über zwanzig Jahre währende Präsenz in Frankreich, Monaco und der Schweiz mit den Orchestern von Radio France, Monte-Carlo und später beim Orchestre de la Suisse Romande in Genf. Wesentlich ist zu bemerken, dass diese Ensembles allesamt unter seiner Leitung einen enormen Bedeutungs- und Qualitätsschub erhielten, der auch nach seinem Weggang anhielt und wirkte. Auch die amerikanischen Orchester reizten Janowski bald, der bis heute vor allem mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra eng verbunden ist. Doch bereits 1974, als Janowski noch in Freiburg seine erste GMD-Stelle ausfüllte, ereilte ihn erstmalig ein Ruf aus Dresden: eine Plattenaufnahme mit Carl Maria von Webers „Euryanthe“ entstand für die VEB Deutsche Schallplatten – mit Stars wie Jessye Norman und Nicolai Gedda. Die Zusammenarbeit mit der Staatskapelle Dresden fand eine Fortsetzung mit Harry Kupfers Neueinstudierung von „Tristan und Isolde“ und weiteren Konzerten und Opernaufnahmen, die in ein für Janowski am Ende gefeiertes und bis heute als Referenz geltendes Großprojekt mündeten: der komplette Wagner’sche „Ring des Nibelungen“ als erste digitale Aufnahme überhaupt und mit parallelen konzertanten Aufführungen im Kulturpalast in den Jahren 1980-1983.
Während sich Janowski nach der Wende und der Zeit in Frankreich vor allem wieder stärker auf deutsche Orchester, u. a. dem Deutschen Sinfonieorchester Berlin, konzentrierte und sich dabei auch dem Opernbetrieb aus Gründen der musikalischen Qualität, die er im dortigen Alltag nicht mehr für gewährleistet sah, mehr und mehr entsagte, schien Dresden mit seiner „unverkorksten“ (Janowski in seiner Biographie „Atmen mit dem Orchester“) Art, Musik zu machen, auf ihn weiterhin einen starken Reiz auszuüben. Der Umsetzungswille der Dresdner Musiker, der spezielle Klang der Orchester und ihre Art, Musik ernstzunehmen, ließen Janowski nicht los. 1997 dirigierte er erstmals die Dresdner Philharmonie und wurde 2001 nach dem Weggang von Michel Plasson ihr Chefdirigent.
Er bescherte den Dresdnern damals absolut herausragende Konzertabende jenseits des Gewöhnlichen; so dirigierte er Musik von Frank Martin und Henri Dutilleux ebenso wie etwa mit das Großwerk „Des Canyons aux étoiles“ von Olivier Messiaen in einem Sonderkonzert in der Kreuzkirche. Ein Coup gelang ihm auch mit der Aufführung aller drei Klavierkonzerte von Béla Bartók (mit Barry Douglas am Klavier) an einem Abend oder lang nachwirkenden Interpretationen etwa der 14. Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch, der 5. Sinfonie von Anton Bruckner – gekoppelt mit Schönbergs „Ein Überlebender aus Warschau“ – oder der 7. Sinfonie von Gustav Mahler. Dass er etwa für letztere weitaus mehr Proben ansetzte als im normalen Konzertbetrieb üblich, ist ebenfalls einer Haltung geschuldet, die ausschließlich der Musik verpflichtet ist. Und oft genug weiß man heute, dass mit den üblichen drei Proben vor einem Konzert das musikalische Ergebnis nur bis an eine bestimmte Schwelle der Umsetzung heranreicht, gar in manchem Anspruch unbefriedigend verbleiben muss.
Marek Janowskis intensive Chefzeit in Dresden endete allerdings drei Jahre später bekanntermaßen jäh, da er – auch dies ein völlig verständlicher und Kompromisse schlicht ausschließender Wunsch seines musikalischen Wirkens – keinesfalls bis an seinen Lebensabend mit dem alten, akustisch ungenügenden Kulturpalast vorlieb nehmen wollte, die Stadt aber die Umbauabsichten im Sande verlaufen ließ. Doch ebenso, wie Janowski mit weithin gerühmten konzertanten Aufführungen stets ein waches Auge auf die Oper und ihre unbestrittenen Meisterwerke hatte und sich, gottlob, 2016 endlich für ein Engagement mit der Übernahme des Castorf-Rings bei den Wagner-Festspielen in Bayreuth überreden ließ, und nachdem er mit den konzertant aufgeführten und auf CD aufgenommenen Opernhauptwerken von Wagner mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin Maßstäbe gesetzt hatte, so schaute er, über 13 Jahre hinweg eine kraftvolle Ära in Berlin formend, immer wieder auf die Entwicklung nach Dresden, wo die Stadt tatsächlich nach über zehn Jahren Ringen den Kulturpalastumbau anging und schließlich vollendete.
Es war klar, dass Marek Janowski zur Eröffnung im neuen Kulturpalast einer der ersten stürmisch begrüßten Gastdirigenten sein würde, und nach dem Ende seiner Tätigkeit in Berlin, als er eigentlich keinen Chefposten mehr annehmen wollte, war es doch um ihn geschehen: „Bei Dresden bin ich weich geworden“, äußerte er vor einem Jahr. Nun wird Janowski, der seit der Kulturpalasteröffnung ein umjubelter Wiederholungstäter im neuen Saal ist, ab Herbst 2019 wieder Chefdirigent. Ein besseres Geschenk zum 80. Geburtstag hätte er sich und uns in Dresden kaum machen können, und man wird im Frühjahr von ihm erfahren, in welche Sphären er das Konzertpublikum in seiner ersten Saison bei der Dresdner Philharmonie entführen wird. Einstweilen herrscht Vorfreude auf seinen nächsten Auftritt Anfang März im Kulturpalast mit konzertant dargebotener Oper aus dem Verismo, und natürlich auf diesem Wege: Herzlichen Glückwunsch, Marek Janowski!
- Marek Janowski dirigiert am 8. und 10. März die Dresdner Philharmonie mit den beiden Operneinaktern „Cavalleria Rusticana“ von Pietro Mascagni und „Il Tabarro“ von Giacomo Puccini
Foto (c) Felix Broede, Deutsche Fotothek
Mehr lesen: Interview mit Marek Janowski vom 22.9.2018
Mehr hören: Sendung zum 80. Geburtstag von Marek Janowski bei Deutschlandfunk Kultur am 20.2.2018, 20.03 Uhr
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