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Mit Eigenheit musiziert

Absolventenkonzert des Jungen Sinfonieorchesters Dresden

Zur vielfältigen musikalischen Landschaft in Dresden gehört unbedingt auch, dass der musikalische Nachwuchs ordentlich gefördert werden will. Und wenn der Sohn zur Trompete greift, gibt es in der Stadt verschiedene Möglichkeiten, das erkannte Talent auszubauen. Neben dem Konservatorium oder den Angeboten des Musikrats ist das Sächsische Landesgymnasium für Musik die anerkannte Anlaufstelle für eine gute musische Schulausbildung, zumeist von den Eleven nahtlos an der Musikhochschule fortgesetzt. Die immer noch im Volksmund „Spezi“ genannte Schule besitzt mit dem Jungen Sinfonieorchester Dresden auch ein Orchesterensemble, das seit 2011 von Wolfgang Behrend geleitet wird und seit dem letzten Jahr für das jährliche Absolventenkonzert im Kulturpalast beheimatet ist.

Das fand am letzten Freitag unter großer Anteilnahme des zumeist mit den Jugendlichen auf der Bühne familiär verbundenen Publikums statt, was dann am Ende für großen und berechtigten Jubel sorgte, aber atmosphärisch auch ein wenig hermetisch-ernsthaft erschien. Denn schon im Titel des Konzertes wird man darauf hingewiesen, dass es um das „Absolvieren“ geht, ein eigentlich gar nicht mehr in unsere Zeit passender Ausdruck, der auch nicht wirklich das erfasst, was Musik eigentlich ausmacht und am Freitag Abend eigentlich auch zu Gehör kam. Trotzdem wehte durch den Kulturpalast natürlich die besondere Spannung des „Jetzt gilt’s“, ein Gefühl, das auch gestandene Musiker befällt und im besten Fall ja auch für ein außergewöhnliches, eben unwiederholbares gemeinsames Erlebnis sorgt.

Das Programm war anspruchsvoll, schien aber auch dem Kenntnisstand entsprechend gut ausgewählt – eine Rarität für’s Publikum gab es obendrauf, denn Rudi Stephans 1912 entstandene „Musik für Orchester“ ist zwar schon einige Male in Dresden erklungen, dennoch fasziniert immer wieder die eigenartige spätromantische Handschrift dieses kaum bekannten Komponisten, dem durch seinen Tod im 1. Weltkrieg nur ein kurzes Leben beschieden war. Hier und in der eingangs gespielten „Hebriden“-Ouvertüre von Felix Mendelssohn Bartholdy trafen die jungen Musikerinnen und Musiker sofort den passenden romantischen Ton, und Behrend führte auch mit durchaus forderndem Zugriff durch die beiden Orchesterstücke, wobei die sehr guten Bläser bei Stephan insgesamt mutiger agierten als das manchmal blass wirkende Streicherensemble, das erst zum Finale hin dann auch brillant aufblitzte.

Diesen Biss ließ das Orchester auch in der Begleitung der beiden Solokonzerte ein wenig vermissen, vielleicht ließ Behrend in den Solokonzerten doch zuviel im Saal eigentlich unnötige Vorsicht walten? Dies betraf Robert Schumanns Cellokonzert etwas mehr als den dann auch im Orchester besser gepackten 1. Satz aus dem Violinkonzert von Jean Sibelius, wobei das Landesgymnasium zwei exzellente und talentierte Musikerinnen als Solisten ausgewählt hatte. Fast eigensinnig, aber im guten Sinne mit einer bereits identifizierbaren Handschrift hatte Helene Winkler (Cello, Klasse Friedwart-Christian Dittmann) das große a-Moll-Konzert von Robert Schumann zu ihrem Eigentum gemacht und befand sich in einem hochspannenden Dialog mit dem Komponisten, wobei besonders ihre starke dynamische Phrasierung beeindruckte, die dem Werk manchmal ungestüm-dramatische Färbungen verlieh, die aber mit vollem Bewusstsein gesetzt aus dem Stück heraus tönten, damit überzeugend waren.

Ähnlich selbstbewusst, aber nun den ganz anderen Charakter des Sibelius-Werks ebenso genau und klangsinnig ausgestaltend, ging Charlotte Thiele (Violine, Klasse Prof. Natalia Prishepenko) zu Werke. Anstelle sich im nordischen Nebel zu verlieren, bewahrte sie eine durchaus cool zu nennende Übersicht und bestechende Klarheit in der Tongebung, mit der sie sich bis zum Ende des Satzes sogar noch steigern konnte. Vor allem der tolle Wille zur musikalisch persönlichen, trotzdem die Stücke treffenden Aussage beider Solistinnen machte Appetit auf mehr – das dürfte kein Problem darstellen, denn die Aktivitäten der beiden reichen schon jetzt weit über das Landesgymnasium hinaus.

Foto (c) Alexander Keuk

 

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