Kandinsky trifft Mussorgsky bei den Musikfestspielen im Dresdner Albertinum
100 Jahre Bauhaus – das wichtige Jubiläum haben die Dresdner Musikfestspiele, die sich in diesem Jahr bekanntlich den Visionen der Künste widmen, in ihre Veranstaltungen als Faden mit aufgenommen – manche eher lose mit den Gedanken verknüpft, andere expliziter musikalische Korrespondenzen vorstellend. Insgesamt wirkt es eher wie eine freundliche Hommage ohne allzuviel Vertiefungsanspruch: Arnold Schönberg als wichtige Kandinsky-Inspiration oder Joseph Matthias Hauer sucht man vergeblich im Programm, um Stefan Wolpe hat sich noch AuditivVokal am Vortag mit einer Uraufführung verdient gemacht, viel mehr wäre denkbar.
Im Mittelpunkt des Bauhaus-Schwerpunktes steht das am Pfingstwochenende stattfindende „Triadische Ballett“ von Oskar Schlemmer und der am Sonntag im Albertinum aufgeführte Klavierzyklus „Bilder einer Ausstellung“ zu den Szenenentwürfen von Wassily Kandinsky. Zum Albertinum-Konzert boten die Sächsischen Kunstsammlungen am letzten Tag ihrer Ausstellung „Zukunftsräume. Kandinsky, Mondrian, Lissitzky und die abstrakt-konstruktive Avantgarde in Dresden 1919 bis 1932“ eine kostenlose Führung für die Konzertbesucher an. Mit dem Ansturm von über 400 Interessierten hatten die Kunstsammlungen wohl nicht gerechnet und daher gab es einen freien Rundgang mit einigen Stops und Zusatzinformationen.
Solcherart war man gut vorbereitet auf den im Lichthof folgenden, besonderen Klavierabend, der einem eine neue Interpretationsebene von Modest Mussorgskis berühmten Zyklus „Bilder einer Ausstellung“ offerierte. Und das war zumindest ein einmaliges Erlebnis, denn man sah sich mit einer Art „Video vom Bild von der Musik zum Bild“ konfrontiert. Mussorgski hatte ja die Klänge auf die Gemälde des Malerfreundes Wiktor Hartmann komponiert. Von der Musik wiederum zeigte sich der von Walter Gropius 1922 ans Bauhaus gerufene Wassily Kandinsky inspiriert, der die Klänge in eine abstrakte Bühnendarstellung umsetzte, die 1928 in Dessau aufgeführt wurde.
Doch gerade den Aspekt der Beschäftigung mit den Ideen und Visionen Kandinskys und eine daraus folgernde, zwingend gegenwärtige und experimentelle Formulierung samt Einbeziehung des Raumes suchte man in der neuerlichen Annäherung vergeblich. Stattdessen gab es schlicht ein Frontalkonzert vor einer Leinwand, dazu mit einer Programmhälfte, die in keinem Zusammenhang mit der Kandinsky-Mussorgski-Idee stand. Gut, Peter Tschaikowskys Klavierstücke „Die Jahreszeiten“ sind ebenso spätromantischen Musikidealen verpflichtet, aber Sentiment gehörte nun nicht eben zu den bahnbrechenden Ideen der Dessauer.
Hier hatte man sich etwas verschenkt und leider trug auch die Interpretation des russischen Pianisten Nikolai Tokarev nicht zur Erbauung bei, der einige Stücke wie den Januar oder die Troika des Novembers tatsächlich weitgehend farblos spielte, bei schnelleren Piècen aber fahrig wirkte, so dass ihm im pianissimo des Herbstliedes sogar Töne entglitten. Das hatte sich mit Mussorgski gottlob schnell erledigt, hier wirkte er deutlich freier und souveräner, gestaltete viel plastischer und mit schönem Tempo-Puls. Stattdessen irritierte nun die visuelle Ebene des Bildkünstlers Uwe Niesig, denn dieser mischte in seinem Film munter die Bilder von Kandinsky und Hartmann und ließ auch noch die Köpfe von Maler und Komponist einblenden. Mit diesem Durcheinander entfernte man sich an diesem Abend entgültig von der Klarheit und auch Radikalität der Bauhaus-Ästhetik und fühlte sich am wohlsten aufgehoben in Tokarevs nun wunderbar frei schwingenden Zugaben von Schumann/Tausig, Chopin und Rachmaninow.
Foto (c) Oliver Killig, Alexander Keuk (1)
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