Zum Inhalt springen →

Warme und runde Klangvorstellung

Das Raschèr Saxophon Quartett gastiert beim 10. Internationalen Schostakowitsch Festival

Ein wenig ist es immer noch außergewöhnlich, wenn ein Saxophonquartett ein Konzert gibt. Allerdings auch etwas außergewöhnlich Schönes, denn die klangliche Vielfalt und die mögliche Virtuosität der vier Blasinstrumente in Verbindung mit klassischen Klängen von Bach bis zur Moderne ist immer hörenswert – oft entspannend, manchmal aufregend. Beim Internationalen Schostakowitsch-Festival in Gohrisch ist das Raschèr Saxophon Quartett nun zum zweiten Mal zu erleben – das Quartett feiert in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen, ein Jubiläumskonzert ist für den Herbst geplant. Aufmerksame Dresdner Konzertgänger werden das Weltklasse-Ensemble vielleicht schon erlebt haben, denn der Dresdner Komponist Rainer Lischka hat etwa schon mehrfach für die Raschèrs geschrieben, zuletzt waren sie in einem Konzert mit dem Philharmonischen Kinderchor zu erleben.

Auf die Frage, was das Besondere dieses über Jahrzehnte auch in konstanten Besetzungen musizierende Quartett ausmache, hebt die Sopransaxophonistin Christine Rall einen warmen, runden und homogenen Gesamtklang hervor, der sich über viele Jahre entwickelt habe und ein gemeinsames Ideal sei – am schönsten seien die Momente, wenn das Quartett wie ein einziges Instrument klinge. Die Verwendung älterer Saxophone und Mundstücke bei den Raschèrs sei zudem eine Hommage an Adolphe Sax (1814-1894), den Erfinder des Instruments, an dessen ursprünglicher Klangvorstellung sich das Quartett orientiere. Die Lebensleistung des Quartetts in den vergangenen 50 Jahren ist immens und in Zahlen kaum fassbar: allein über 300 Uraufführungen bedeutendster Komponisten wie Iannis Xenakis, Philip Glass, Fazil Say, Luciano Berio oder Sofia Gubaidulina wurden in die Welt gesetzt, und zwar ebenso Quartettstücke wie große Konzertwerke mit Ensemble oder Sinfonieorchester im Rücken. Und während die vier Musiker zu Beginn noch als Exoten in den Konzertsälen galten, ist der Terminkalender heute prall gefüllt mit Konzerten, Proben und Meisterkursen. Erfreulicherweise gebe es kaum Nachwuchssorgen beim Saxophon, so Christine Rall. Beim letzten Meisterkurs in Rendsburg spielten sogar neue junge Quartettformationen und, was Christine Rall ebenfalls freudig stimme, deutlich mehr Frauen als früher finden Spaß am klassischen Saxophonspiel.

Das Raschèr Saxophon Quartett hat seine Basis seit Jahren in Freiburg im Breisgau, wo das Quartett sich zu fixen Probentagen trifft. Im Mai dieses Jahres wurde das Quartett, dessen Mitglieder zumeist ihr ganzes Leben dem Ensemble widmeten, vom Tod des Baritonsaxophonisten Kenneth Coon erschüttert, der über zwei Jahrzehnte bei den Raschérs spielte und auch als Arrangeur hervortrat. Einen neuen Mitspieler werde es im Herbst geben, man werde sich der Findung ganz in Ruhe widmen, erzählt Christine Rall. Einstweilen helfen Kollegen und Freunde bei den Konzerten aus, so auch in Gohrisch, wo der junge Niederländer Oscar Trompenaars das Baritonsaxophon spielen wird (Alt: Elliot Riley, Tenor: Andreas van Zoelen).

Wenn es bei den Konzerten der Raschérs weitgehend klassisch bleibt, ist das keine Abgrenzung, sondern Bekenntnis – wenngleich Musik der Gegenwart natürlich oftmals genüßlich den Grenzgang ausprobiert. Auch die russischen Komponisten aus Futurismus und Avantgarde haben das Saxophon früh für sich entdeckt. Bereits 1934 wirkte der spätere Quartettgründer Sigurd Raschér in einer Aufführung des „Quartetts für vier Saxophone“ des spätromantischen Komponisten Alexander Glasunow – als Lehrer und Förderer von Dmitri Schostakowitsch bekannt – mit und spielte anschließend dem anwesenden Komponisten vor, der daraufhin sein auch heute oft aufgeführtes Altsaxophonkonzert für den äußerst begabten Raschér schrieb. Schostakowitsch selbst nutzte das Saxophon eher selten und auch zumeist in eher unterhaltenden Stücken, so etwa in der in Gohrisch ebenfalls zu hörenden „Suite für Varieté-Orchester“, früher bekannt als „Jazz-Suite Nr. 2“. Und darin befindet sich auch der Walzer Nr. 2, der durch die Verwendung im Meisterwerk „Eyes Wide Shut“ von Stanley Kubrick weltberühmt wurde. Hier werden sich die Raschèrs mitten im Varieté-Ensemble der Staatskapelle Dresden wiederfinden und die Zuhörer dürfen sich davon überzeugen, wie fein der Klang der vier Saxophone im Orchester verschmilzt.

  • Das Raschèr Saxophon Quartett spielt heute, am 21. Juni, beim Internationalen Schostakowitsch Festival in Gohrisch beim Aufführungsabend um 19.30 Uhr in der Konzertscheune
  • Jubiläumskonzert „50 Jahre RSQ“  (Infos): 22. September, Konzerthaus Freiburg/Brsg., Werke von Iannis Xenakis, Lera Auerbach, Arvo Pärt u. a.

Foto (c) Felix Broede

image_pdf

Veröffentlicht in Features Rezensionen

Kommentaren

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert