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Voller Emotionalität

 

Sinfoniekonzert des Universitätsorchesters Dresden

Untrügliches Zeichen, dass es auf das Semesterende der TU Dresden zugeht, ist nicht nur die zunehmende Aktivität in den Bibliotheken, sondern auch die auffällige Durchmischung von Studierenden, die mit Laptop und Bücherstapel unterwegs sind mit solchen, die zusätzlich noch einen Instrumentenkoffer auf den Rücken geschnallt haben: traditionell spielt das TU Sinfonieorchester zwei Mal im Jahr, und für das Sommerkonzert hatte Dirigent Filip Paluchowski ein sehr anspruchsvolles, alle Kräfte forderndes Programm zusammengestellt. Auf die besondere emotionale Anstrengung, die dieses Programm allen Beteiligten abforderte, wies er selbst in einer kurzen Einleitung zum Konzert in der wie immer beim TU-Sinfonieorchester prall gefüllten Lukaskirche am Sonnabend auch hin. Und es war ein wertvoller Hinweis, der eben auch zeigt, dass es Stücke gibt, die in ihrer Hinwendung zu ernsten Themen wie Krieg oder Tod keine Teilnahmslosigkeit zulassen.

Sie packen Musiker wie Zuhörer gleichsam, und manchmal sogar dort, wo man es eigentlich nicht will. Diese vielfältigen Anregungen, die die Musik gab, konnte jeder zu eigenen Stimmungen oder Erlebnissen hinzufügen und man sah auch im Orchester eine besondere Hingabe, die zu hoher Konzentration und deutlichem Ausdruck führte. Dabei will eine Partitur wie Benjamin Brittens „Sinfonia da Requiem“ trotz der ergreifenden Musik von den ersten, die Kirche markerschütternden Akkorden auch erst einmal organisiert werden. Filip Paluchowski formte mit dem Orchester im 1. Satz einen in insistierender Langsamkeit gehaltenen Bogen und ließ im folgenden „Dies Irae“ ein von Britten auch so gewolltes organisiertes Chaos folgen – hier hätten tatsächlich die Blechbläser noch einen Zacken schärfer agieren dürfen.

Dass alle Werke des Abends bei allem Wüten und Wehen auch Elemente der Hoffnung und des Lichts trugen, war ein roter Faden im Konzert: bei Britten klang die Musik sanft aus, beim nachfolgenden „Schicksalslied“ von Johannes Brahms war die Sanftheit bestimmendes Grundelement, die auch die geschilderten Abgründe überwand. Gemeinsam mit dem Neuen Chor Dresden (Einstudierung Axel Langmann), der mutig und – nicht selbstverständlich in dieser Aufstellung – klanglich mit dem Orchester gut ausbalanciert von der rechten Empore sang, gelang auch hier eine intensive Interpretation.

Im zweiten Teil des Konzerts konnte man gar noch einer Uraufführung beiwohnen: Der aus Stuttgart stammende Komponist und Pianist Michael Essl (*1991) hat in Berlin studiert und besitzt eine griffige Klangsprache, die vor allem dann interessant wird, wenn er sich wie im 3. Satz von „Senja“, einer Art modernen Tondichtung mit der gleichnamigen norwegischen Insel als naturalistischem Hintergrund, konsequent einer Besetzung aussetzt – hier mit den tiefen Streichern Sprache formend, oder den Schluss im fünften Teil über einem ungewöhnlich anhaltendem Trommelfeuer ausgestaltend.

Hernach gab es noch eine weitere Rarität: Ralph Vaughan Williams spätromantische 3. Sinfonie ist sicher eines der rätselhaftesten Werke des Briten und selbst der Titel „Pastoral Symphony“ kratzt nur an der Oberfläche. Dass die vier Sätze bis zum Schluss hin immer stärkere, fast philosophische Charakterbilder werden, unterstrich das TU Sinfonieorchester mit seiner großartigen Interpretation, wozu auch zahlreiche schön ausmusizierte Soli von Trompete, Horn, Bratsche und Violine gehörten. Zu dieser Gesamtleistung gesellte sich noch am Ende der glockenklare Sopran der jungen Sopranistin Annabell Hertrampf – mit diesen puren Tönen ging ein ungemein vielschichtiges, auch langes und aufwühlendes Konzert zu Ende, das sicher auch für die vielen jungen Musiker nicht nur Arbeit, sondern ein eindrückliches Erlebnis war.

* Konzerthinweis: Die Kammerphilharmonie des Orchesters spielt am 13.7. um 19 Uhr, ebenfalls in der Lukaskirche ein weiteres Konzertprogramm unter dem Titel „Temperamente“. Auf dem Programm stehen Werke von Ravel, de Falla, Franck und Schubert, die Solistin ist Lenka Matějáková, Violine.

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