Kammerphilharmonie des Universitätsorchesters Dresden im Konzert
Ganz anders und doch ein bisschen ähnlich war das Konzert des Universitätsorchesters am vergangenen Sonnabend im Vergleich zum ersten Auftritt eine Woche zuvor. An gleicher Stelle spielte nun die Kammerphilharmonie des Ensembles. Die Technische Universität kann sich ja quasi damit rühmen, zwei ausgewachsene Sinfonieorchester in ihren Reihen zu haben – im Anspruch stehen sich die beiden Ensemble in nichts nach, und Dirigent Filip Paluchowski versucht sowohl für die Zuhörer als auch für die Musiker in den Programmen vielfältige Wünsche und Vorlieben zu vereinen. Das Motto „Temperamente“ war natürlich ein guter Sammelbegriff für nun erneut vier sehr unterschiedliche Stücke im Semesterabschlusskonzert, und wiederum war die Lukaskirche sehr gut besucht.
Still wurde es gleich zu Beginn, denn in der Rhapsodie „Tzigane“ für Violine und Orchester von Maurice Ravel fängt die Solistin ganz alleine an. Die in Prag und Dresden ausgebildete Geigerin Lenka Matějáková spielte ihr Solo mit einer guten Spannung, die sich sogleich auf das Publikum übertrug. Was der französische Komponist 1924 über Zigeunermusik phantasierte, dauert zwar gerade einmal zehn Minuten, ist aber doch immer wieder eine Herausforderung, denn was ist hier eigentlich wahre oder echte Volksmusik und was eine Illusion? Matějáková und Paluchowski wählten dafür einen Weg der Kontrolle, die das Stück von Emotion und Theatralik fernhielt und es etwas blockhaft unterteilte. Bei aller hervorragenden Intonation und technischer Brillanz wagte Matějáková nicht den Schritt, über das Vereinbarte hinauszugehen und genau solche Temperamente zum Zug kommen zu lassen – so blieb die Stretta am Schluss ein Schnellerwerden, frei von jeglicher Verrücktheit.
Wie „Tzigane“ folkloristisch erdacht, doch diesmal ohne die Faszination eines Nachahmers aus fremden Landen war dann die 1. Suite aus dem Ballett „Der Dreispitz“ von Manuel de Falla ein authentischer Genuss. Die mediterrane Glut will natürlich erst einmal in einem mit so vielen individuellen Temperamenten der Mitglieder ausgestatteten Ensemble ankommen. Das gelang gut und mit viel Sinn vor allem für die Dynamik und die Hervorhebung der vielen Melodien im Stück. Rhythmisch war es dann doch ein wenig geradeaus und vorsichtig erdacht, aber ein wenig machte auch die fluffige Akustik der Lukaskirche der Unwiderstehlichkeit und Präzision eines Fandangos den Garaus.
Danach gab es ein wenig bekanntes Werk des französischen Komponisten César Franck zu entdecken: „Les Éolides“, eine sinfonische Dichtung, die von einem Gedicht von Leconte de Lisle inspiriert den Töchtern des Windgottes Aeolus nachspürt. Anders als die beiden vorangehenden Stücke sind hier viel feinere Linien gesponnen, zählt weniger der äußerliche Pomp als die nach und nach entwickelten Farben und Bewegungen. Das gelang hervorragend, und gerade die leisen Töne und die vielen kleinen solistischen Passagen der Bläser überzeugten, sodass man von diesem Windhauch, der im Mittelteil auch einmal ordentlich aufbrauste, gerne weggetragen wurde.
Schließlich fügten die jungen Musikerinnen und Musiker nach der Pause mit der 4. Sinfonie von Franz Schubert noch ein weiteres Temperament hinzu. Den von Schubert selbst gewählten Untertitel einer „Tragischen Sinfonie“ versah Paluchowskis in seiner Interpretation mit deutlichen Fragezeichen, denn schon im ersten Satz war viel Schwung und Positives zu vermerken. Hier und da scheint im zweiten Satz Melancholie auf, aber was Schubert da als tragisch empfand, hat schon Robert Schumann verwirrt – insofern freute man sich über das erfolgreiche Angebot der Kammerphilharmonie, hier viele Schönheiten des Werks herauszuarbeiten und im dritten und vierten Satz auch durchaus einmal an den Tempogrenzen zu kitzeln. Dadurch gewann das Stück an Lebendigkeit und der Applaus für das abwechslungsreiche Konzert war am Ende stark und herzlich.
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