Sinfoniekonzert bei den Landesbühnen Sachsen
Die kulturellen Ventile werden derzeit an allen Häusern wieder aufgedreht, Musik und Theater sollen wieder sprudeln, denn das Publikum ist danach ebenso durstig wie die vielen an den schon fleißig geprobten Produktionen Beteiligten. Die Landesbühnen Sachsen machen da keine Ausnahme und können jetzt, da die Lockerungen kommen, in einen prall gefüllten Köcher greifen – mit ausgefeilter Logistik werden die Spielstätten von Radebeul bis Rathen wieder gefüllt und ein Sinfoniekonzert der Elblandphilharmonie bildete nun quasi den musikalischen Auftakt für den Frühsommer in Theater, Oper und Konzert.
In einigen Ankündigungen geisterte noch das Konzertthema „Italien“ herum. Das Land lockt ja bekanntlich auch Engländer und Franzosen zu inspirativen Aufenthalten, aber da war wohl schlicht das Programm geändert – Elgars Ouvertüre „In the South“ hätte noch den Faden aufrechterhalten, ist aber zu groß besetzt. Gespielt wurden allerdings, die in England mittlerweile ein ganz eigenes Genre so genannter „light classics“ bilden, dazu gehören noch als bekannteste Vertreter spätromantische Komponisten wie Frederick Delius und Ralph Vaughan Williams. Dessen „Greensleeves“-Vertonung ist natürlich durch die Volksmelodie schon allein ein Ohrwurm. Bei Delius gelingt das nicht so einfach, da seine Orchesterstücke „On hearing the first cuckoo in spring“ und „Summer-night on the river“ eher pastellene Stimmungsbilder sind, die wie ein ungestörte Landschaftsbild aus Tönen wirken.
Dieser sinfonische Auftakt an den Landesbühnen geriet etwas pastoral und kontrastlos sanft, war aber keinesfalls im musikalischen Anspruch zu unterschätzen. Gastdirigent Felix Bender machte sich bislang im Umfeld der sächsischen Landeshauptstadt rar – eine erfolgreiche Zeit verbindet ihn mit der Oper in Chemnitz ebenso wie seine andauernde Tätigkeit an der Oper Leipzig als ständiger Gastdirigent. Ab der kommenden Spielzeit wird er Generalmusikdirektor am Theater Ulm sein, insofern konnten die Konzertbesucher sich glücklich schätzen, den umtriebigen Dirigenten einmal am Pult zu erleben. Bender ließ schon in der „St. Paul’s Suite“ von Gustav Holst (eine Komposition, die als Dankeschön für den schalldichten Umbau des Künstlerarbeitszimmers entstand, findet man ja auch eher selten…) keinen Zweifel daran, dass es ihm in der kleinen Orchesterbesetzung auf einen besonders dichten und ausgefeilten Gesamtklang ankam und eben gerade die Schlichtheit der Musik auch eine gemeinsame Hingabe und Präzision benötigte.
Das gelang wunderbar und freute auch das Publikum, die die Stücke sichtlich genossen. Weniger genießbar war jedoch die Lautsprecher-Tirade der Vorschriften und Hinweise vor dem Konzert, das hätte auch auf einen Flyer oder einen Aushang gepasst und ist hoffentlich bald obsolet. Im Holst-Stück zu Beginn gefiel vor allem der schwingende Schlusssatz, „Greensleeves“ erhielt dann eine adäquate Dichte im Streicherklang, und auch gleich die ersten Takte des „cuckoo“ waren wunderbar ausbalanciert, der Vogel selbst hielt sich in der Klarinette eher bescheiden im Hintergrund. Hier und da fielen noch etwas scharfe Streicherhöhen auf, doch die Elblandphilharmonie Sachsen spielte sich immer mehr zusammen, so dass die abschließende Sinfonie Nr. 1 D-Dur von Charles Gounod (nein, wieder nicht Italien!) zum Höhepunkt avancierte.
Das selten gespielte Stück wartet mit einigen Finessen auf – so etwa die Chuzpé, im 4. Satz eine Struktur wie bei einer neuen Sinfonie zu beginnen – und klingt vor allem in den Ecksätzen so, als hätte Beethoven endlich einen langerwarteten Ausflug in die Champagne gemacht. Bender bekam hier mühelos die Aufmerksamkeit des engagierten Ensembles und konnte so auch für den nötigen freigeistigen Esprit im Scherzo sorgen. Dass der Applaus für die erste sinfonische Aufführung im Stammhaus besonders herzlich ausfiel, war zu erwarten und natürlich auch eine schöne Belohnung für die ausgewogene Leistung der Elblandphilharmonie.
Fotos (c) Claudia Hübschmann
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