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Packender Opern-Einakter

Ádám Fischer bei der Dresdner Philharmonie

Ich kenne ja Ádám Fischers Morgenroutine nicht, aber ich bin fast sicher, dass er den Tag nicht mit einem Kaffee, sondern mit einer Sinfonie von Haydn oder Mozart beginnt. So wie auch diesen Sonntag im Kulturpalast bei der Dresdner Philharmonie, wo der ungarische Dirigent als Gast gleich zu Beginn die 97. Sinfonie C-Dur vorstellte. Es ist die erste vollendete von insgesamt zwölf „Londoner“ Sinfonien, die Haydn 1792 bei den „Salomon’s Concerts“ uraufführte. Die Sinfonien sind die Krönung seines Spätwerks und bis heute ein Quell frischer orchestraler Unterhaltung.

Dabei merkte man in jedem Takt, jeder Sekunde eigentlich einen urmusikantischen Funken, den Fischer, der u. a. seit 2015 bei den Düsseldorfer Symphonikern Erster Konzertdirigent ist, beinahe tanzend vom Pult aus versprühte, jedoch ohne das Werk theatralisch zu überhöhen. Eigentlich kitzelte er nur mit größter Freude alles aus den Philharmonikern heraus, was Haydn in die Partitur gegossen hat. Mit einer spürbaren Idee für jeden Satz, etwa was zielgerichtetes Musizieren oder eine ganz klar ausgestellte Klangfarbe anging, motivierte er nicht nur die Musiker vor ihm, sondern förderte auch ein ganz waches Zuhören für Joseph Haydn – was gibt es da nicht (immer noch und immer wieder!) zu entdecken! Und nach fast jeden Satz ging unauffällig Fischers Daumen hoch für die Philharmoniker: „toll gemacht!“, das konnte man vom Rang aus am Ende nur applaudierend bestätigen.

Nach diesem Koffeinschub aus Eisenstadt musste eine Pause folgen, denn danach gab es ein deutliches Kontrastprogramm: Béla Bartóks 1918 uraufgeführter und im Kulturpalast nun konzertant gegebener Einakter „Herzog Blaubarts Burg“ fordert nicht nur eine dreimal so große Orchesterbesetzung, es ist auch mit der leichten Heiterkeit schon in dem Augenblick vorbei, da Judith und Blaubart sich der Burg nähern, deren insgesamt sieben Türen die verliebte Gemahlin des Herzogs zu öffnen fordert. Ab da wird es blutig und kaum mehr jugendfrei, erst recht, weil Ádám Fischer, der das Riesenwerk übrigens auswendig dirigierte, nun auch diese Bilder mit einer Plastizität ausstattete, die einen atemlos in den Sitz drückte.

Fischer ist natürlich als Landsmann von Bartók ein gefragter Interpret dieser Musik, und ähnlich wie er Haydn auf eine völlig natürliche Art Tiefe verleiht, geht er hier auch mit größter Seriosität zu Werke. Gerade in der konzertanten Aufführung muss sofort klarwerden, was hinter den Türen zu finden ist. Manchmal sprechen Judith und Blaubart darüber. Aber die spektakulärsten Bilder sind ja im Orchester zu finden, das mal wie eine Zeitbombe tickt oder schauderhafte Blutschlieren an die Burgwand wirft, sich unter Fischers modellierenden Händen aber auch in der 5. Tür zu riesenhaftem C-Dur aufschwingt, um dem hinter der Tür verborgenen, unendlich scheinenden Reich des Herzogs ein Raumfeeling zu verleihen. Miklós Sebestyén ist ein kalkulierender, warm und groß gestaltender Blaubart-Bariton, bei dem man die großen Vorbilder wie etwa László Polgár erkennt.

Die dänische Sopranistin Ann Petersen blieb in der Interpretation ein wenig kühl, so dass man weniger reales Drama als vielmehr die Gleichnisse dieses Stücks wahrnahm. Das ist durchaus eine plausible Lesart, fordert dann aber auch vom Orchester einiges an konzentrierter Balance ab. Doch die Philharmoniker hatten mit Ádám Fischer einen der besten Anwälte dieser Musik gefunden, und so konnte man nur staunend die Handlung dieses nicht für ein Happy-End vorgesehene Liebespaars verfolgen, die Fischer wie ein Filmregisseur bis zum erdrückenden Schluss mit immer neuen Gestaltungsideen ausstattete – absolut packend!

Foto: (c) Alexander Keuk

 


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