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Vitalisierende Musikalität

1. Apéro-Konzert der Dresdner Philharmonie mit Thomas Zehetmair

Das Angebot der in der Stadt „reisenden“ Dresdner Philharmonie pendelt sich mittlerweile an den verschiedenen Konzertorten gut ein. Die Programme sind darauf abgestimmt, was in den jeweiligen Räumen möglich und passend ist. Gerade das Hygiene-Museum scheint sich da als Schatztruhe zu entpuppen: kleiner besetzte Werke, die kaum einmal im riesigen Kulturpalast gespielt wurden, sind hier gut geeignet – so hat sowohl die Barockmusik als auch die vielfältige Sinfonik jenseits spätromantischer Riesenbesetzungen oder modernere Ensemblemusik eine Chance.

Die Konzertformate sind ebenso bunt wie die Musik: „Dresdner Abende“, Matinéen oder „Blaue Stunden“ gab es bereits, am Sonnabend feierte die Reihe „Apéro-Konzerte“ ihre Premiere. Ob es an Häppchen und Wein oder doch eher am Geiger Thomas Zehetmair, dem berühmten Solisten und Dirigenten des Abends, lag – das Konzert war erstaunlich gut besucht und lockte auch viele jüngere Zuhörer an. Die reichliche Stunde Musik entpuppt sich als vitalisierendes Element, da Zehetmair als Vollblutmusiker die Zuhörer sofort in den Bann zu ziehen vermag.

Zu Beginn war bei Johann Sebastian Bachs Violinkonzert E-Dur schnell die Entscheidung zu fällen, ob man mit Zehetmairs Interpretationskonzept mitgehen wollte: der doch arg brav musizierte erste Satz und die durch alle Sätze vorherrschende romantisierende Grundhaltung waren schlicht eine Geschmacksache. Fraglos war jedoch der Solopart souverän musiziert und Takt für Takt mit Inhalt gefüllt. Auch wenn Bach stilistisch von der Gegenwart der Rezeption aus betrachtet ein wenig antiquiert klang, war diese Haltung doch insofern überzeugend, da sie nicht aus Nachlässigkeit oder Unüberlegtheit entstand, sondern mit interpretatorischem Willen. Letztlich führt die Vielfalt der Möglichkeiten gerade bei der Barockmusik ja auch dazu, sie immer wieder neu entdecken zu können.

Von Bach zu Mendelssohn Bartholdy ist es je nach Perspektive ein großer Schritt oder aber ein nahezu „sanfter“ Übergang – war es doch genau dieser Komponist, der im 19. Jahrhundert Johann Sebastian Bach zu einer wahren Renaissance verhalf. Mendelssohns Konzertouvertüre „Das Märchen von der schönen Melusine“ verrät davon noch nicht so sehr viel. Thomas Zehetmair setzte hier auf spannendes, impulsgeladenes Musizieren aus romantischem Geist heraus und „erzählte“ die Geschichte der Meerjungfrau plastisch.

Die 1. Sinfonie c-Moll jedoch, ein jugendliches Meisterwerk, setzt beethoveneskes Dramaturgiegespür neben die Bewunderung und gleichzeitige Beherrschung barocken Kontrapunktes. Damit ist genug Spannung für vier außergewöhnliche Sätze gegeben, die Zehetmair sowohl knackig-lebendig in den Tutti-Passagen als auch mit gutem Gespür für Transparenz der Bläser im Piano auskostete. Zehetmair und die Philharmoniker wurden mit großem Applaus bedacht – im Juni darf man sich auf einen weiteren Abend mit ihm, Bach und Mendelssohn freuen.

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