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Unter dem Brennglas

Haydn, Mendelssohn und Mozart mit dem Minguet-Quartett

Vier Instrumente, vier Stimmen. Eigentlich eine überschaubare Sache. Doch es ist höchste Kompositionskunst, ein Streichquartett zu schreiben und was da nur scheinbar so leicht über die Bühnenrampe kommt, ist auch für Interpreten stets eine immense Herausforderung. In der Reihe „Musik an den Höfen des Meißnischen Landadels“ gastierte im vollbesetzten Saal von Schloss Proschwitz bei Meißen das Minguet-Quartett (Köln/Düsseldorf). Der Applaus am Ende schien mir fast zu höflich, wusste man denn im Meißner Lande überhaupt, wen man vor sich hatte? Das Minguet-Quartett (Ulrich Isfort und Annette Reisinger, Violine; Irene Schwalb, Viola; Matthias Diener, Cello) hat sich in den letzten Jahren zu einem der führenden Streichquartette in Deutschland gemausert, stil- und programmsicher hat dieses Quartett vor allem eines: eine hohe Spielkultur und einen starken, wiedererkennbaren Charakter. Souverän erarbeitet und dennoch mit dem Mut zum Konzertrisiko waren die Interpretationen: der „Vater“ des Streichquartetts, Joseph Haydn, wurde hier nicht wie oft als Einspielstück missbraucht sondern gleich wie unter einem Brennglas durchleuchtet, in feingesponnene Fäden zerlegt und wieder zu großem Zusammenhang gefügt. Schade, dass zeitgenössische Musik bei diesem Konzert nicht gefragt war, denn diese ist eines der Hauptbetätigungsfelder des seit 1997 in dieser Besetzung spielenden Quartetts – derzeit etwa spielen die Musiker alle zwölf Streichquartette von Wolfgang Rihm ein. Und doch war der „zeitgenössische Zugang“ selbst in Mendelssohn-Bartholdys 2. Streichquartett a-Moll deutlich zu hören: die Akustik optimal ausnutzend wurde die Dramaturgie stimmig angelegt, die phänomenalen Satzschlüsse etwa und das kommunikative Zuwerfen der musikalischen Bälle waren stets spannungsgeladen. Ganz selten einmal gerieten vorwärtsstürmende Passagen in gefährliches Terrain, doch die nächste bei allen vier Spielern optimal unter Kontrolle gehaltene Passage machte das mehr als wett. So formt sich aus Sätzen und Werken ein großes Klangbild, das dem Hörer weitaus mehr erklärt als eine verbale Partituranalyse dies leisten könnte. Das erste der so genannten „Haydn-Quartette“ von Mozart, G-Dur KV 387, stand am Schluss des Programms, die Interpretation jedoch schlug besonders im kernigen Andante cantabile fast einen Bogen zu Beethoven. Wer Mozart als „verspielt“ verkennt, sollte dessen Streichquartette hören, und dies am besten mit dem Minguet-Quartett. Mit der „Canzone“ von Erwin Schulhoff als Zugabe in den Abend entlassen, war man um mindestens eine Weisheit reicher: auf dem Lande spielt die Musik, und dies hochklassig.

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Veröffentlicht in Rezensionen

12 Kommentare

  1. Mag ja sein, daß die besser geworden sind. Die Konzerte bei uns in der Hochschule (Dozentenkonzerte) fand ich nie toll. Mich stört vor allem die asymetrische Bewegung innerhalb der Gruppe. Sorry. Aber ich hab da vielleicht auch einen speziellen Geschmack. 😉

    • gewissen Pianisten kann ich auch nicht beim Spielen zugucken… – aber das Klangergebnis zählt doch und das fand ich sehr spannend 🙂

    • Ich konnte mich aber beim Minguet nie auf den Klang konzentrieren. Ich mußte immer entgeistert auf diesen wuselnden Schlangenhaufen starren. Mit Augen zu ging es einigermaßen. Aber ich bin nicht der Typ, der in ein Konzert geht, um dann den ganzen Abend die Augen zuzumachen.

    • Kann man auf deren HP irgendwo reinhören? Nein, oder?

    • Ts. Da fällt mir ein: Ich hatte sogar mal Kammermusikunterricht bei denen. Mit einem Klaviertrio. Bei Ulli und bei Irene. Hatte ich ganz vergessen. Gehörte wohl nicht zu den prägendsten Erlebnissen. 😉

    • Homepage weiß ich nicht, aber die haben soviele CDs rausgebracht, das dürfte kein Problem darstellen @anhören… Naja, ich hab jedenfalls selten so ein Konzert gehört, in dem Phrasierung, Tempi und Großform in der Interpretation so eine Einheit bilden, und das bei drei völlig unterschiedlichen Werken. Und in puncto zeitgenössischer Musik geht da eh nur noch Arditti drüber, was das Engagement für die Sache angeht.

    • Ah so. Das mit der Neuen Musik wußte ich nicht. Das sieht dann natürlich aus Deiner Warte anders aus! 😉 Ist ja schön, wenn die sich so gemausert haben. Ist auch lange her, daß ich die gehört habe. War vielleicht irgendwann zwischen 1997 und 2000. 😉

    • Ach, jetzt weiß ich es auch wieder: Der Unterricht war ein Trio von Max Reger für Flöte, Violine und Viola. Ist vielleicht auch schwer zu unterrichten. Ja, es fällt mir wieder ein: Von Irene waren wir superbegeistert. 🙂

    • oh gott, das ist aber auch n ziemlicher Schinken… 😉

    • Och ja. Hat aber trotzdem Spaß gemacht. 🙂 Die Streicher waren supergut. 😉

    • Minguet, Schulthoff Das Quartett werde ich mir merken, vielleicht falle ich ja einmal in ein Konzert hinein.
      Bei Schulthoff fällt mir ein, dass gestern im österreichischen Rundfunk „Flammen“ übertragen wurde. Ich konnte leider nicht zuhören, da ich eine kritische Arbeit erledigen musste. Doch die paar Takte, die ich hineingehört habe, haben mir gefallen.

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