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Zwischen Antike und Gegenwart

Komponistenporträt Dimitri Terzakis im Hygienemuseum

An vielen Orten der Stadt ist „courage“, das Dresdner Ensemble für zeitgenössische Musik, bereits aufgetreten. Das Fehlen einer eigenen dauerhaften Spielstätte mag größeren Aufwand im Erlangen von Aufmerksamkeit bedeuten, für ein Ensemble mit flexiblen Programmen und Besetzungsgrößen vom Solo/Duo bis zum großen Kammermusikensemble gehört die Wahl des passenden Raumes aber oft zum Projektkonzept dazu. Der Kastencharakter des großen Saales im Hygienemuseum ist so nüchtern, dass er für die Spielarten der zeitgenössischen Musik Freiraum bietet.

Für das erste, noch etwas spärlich besuchte Projekt am Sonnabend wirkte er fast überdimensioniert, denn das Kammermusikporträt des in Leipzig lebenden griechischen Komponisten Dimitri Terzakis vertrug Intimität. Vorgestellt wurden zwei Werke mit literarischem Hintergrund, zum einen ein vierteiliger Baudelaire-Zyklus für Sprecher und Ensemble als Uraufführung sowie „Die Irrfahrten des Odysseus“, die der Komponist als „Laterna magica-Performance“ untertitelt. Obgleich die beiden literarischen Quellen völlig unterschiedlich sind, konnte man eine gemeinsame Musiksprache feststellen – Terzakis komponiert mit einem „erweiterten Tonsystem der Antike“.

Das klingt zunächst faszinierend, da es wenige Komponisten gibt, die sich mit den ältesten musikalischen Wurzeln der Welt beschäftigen. Problematisch erscheint, dass man beim Hören dennoch die Musik in einem tonalen, von späteren und nicht ausblendbaren Erfahrungshorizonten bestimmten Klangraum wahrnimmt und somit eine merkwürdige Mixtur entsteht. Insbesondere Baudelaires bildgewaltige Lyrik gerät da in eine Schieflage zur Musik, wenn diese sich mit illustrativer Nacherzählung in „alten“ Systemen begnügt. Die simple Gestaltung der Sprechstimme (Tobias Schlierf) konnte der Lyrik keinen Mehrwert geben: Der Hass ist laut und vor allem auf rhythmischer Ebene lediglich „markig“, und alle schönen Worte werden reichlich gedehnt, als wolle der Komponist lediglich eine Betonung Baudelaires präsentieren, keine Vertonung.

In den „Irrfahrten des Odysseus“ behielt Terzakis auf der sprachlichen Ebene diese Stilistik bei, nur handelte es sich nun um einen prosaischen Text, der in recht trockener Art Odysseus Abenteuer nacherzählte. Als Bereicherung entpuppte sich die visuelle Ebene der Laterna Magica mit gemalten Bildern aus dem Nachlass des Laternisten Paul Hofmann (ca. 1880). So entstand eine Art bebildertes Hörspiel, dem aber weitgehend die interpretatorische, reflektierende Ebene fehlte: ausgiebig wurde Abenteuer um Abenteuer erzählt, zu selten wurde tieferer Sinn deutlicher artikuliert, als Gefahren und Meeresstürme klanglich zu akzentuieren oder das Gefühl bei Odysseus‘ Heimkehr in innige Melodik der Streicher oder Vokalisen in den Solosopran (Nancy Gibson) zu übersetzen.

Courage zeigte unter Leitung des Dirigenten Martin Braun viel Engagement für eine stimmungsvolle Interpretation – ein rechtes Erlebnis wollte sich aber am Ende nicht einstellen, weil Musik, Literatur und Filmgeschichte zwischen Antike, 19. Jahrhundert und Gegenwart keine künstlerisch aussagekräftige Verknüpfung eingingen.

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