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Editorische Großtat

Dresdner Philharmonie vollendet Beethoven-Zyklus /
Philharmonischer Kinderchor veröffentlicht „Am Weihnachtsbaum“

CD-Box Beethoven

In Riesenschritten vollendet die Dresdner Philharmonie derzeit ein großangelegtes Aufnahmeprojekt mit der Kompletteinspielung der Sinfonien von Ludwig van Beethoven und Dimitri Schostakowitsch – sicher eines der ambitioniertesten Vorhaben des Orchesters der letzten Jahrzehnte. Am letzten Freitag erschienen die Gesamtaufnahme der neun Sinfonien von Ludwig van Beethoven in einer Box bei Sony Classical. Im Vergleich zur eher sporadischen Aufnahmetätigkeit früherer Chefdirigenten haben Michael Sanderling und die Philharmonie – noch dazu während der Saal-Interimzeit beginnend – mit dem Schwerpunkt auf die beiden sinfonischen Schwergewichte des 19. und 20. Jahrhunderts einen auch für die Zukunft dokumentierten Status Quo, ein musikalisch hochwertiges Zeugnis des aktuellen Schaffens der Dresdner Philharmonie geschaffen. Und, wie Orchestervorstand Peter Conrad in der Pressekonferenz am vergangenen Dienstag betonte, die vielen Aufnahmesitzungen der letzten drei Jahre hätten Gelegenheit gegeben, sich mit bereits bekannten Werken vertiefend auseinanderzusetzen, wie auch die eher unbekannten in die eigene Spielerfahrung aufzunehmen.

Auf den fünf CDs der Beethoven-Box sind nun auch die Sinfonien 2, 4, 7 und 8 zu finden, die einzeln nicht veröffentlicht wurden. Sie komplettieren damit die Sicht auf Beethoven, die Michael Sanderling mit dem Orchester geformt hat. Und dieses Beethoven-Bild, das sich ja auch in zahlreichen Konzerten der vergangenen drei Jahre dokumentierte, gibt sich schlank, klangschön und rezeptionserfahren, birgt aber auch Interessantes fernab von Kategorien von Richtig oder Falsch, denn zwischen den gestochenen Noten in der Partitur und der Vorstellung, was denn der eigene, „richtige“ Beethoven zu sein hat, liegen Welten der Ausdeutung und unterschiedlicher Anschauungen, und das ist gut so und hält die Meisterwerke lebendig.

Eine Besonderheit der Edition ist, dass der Übergang vom Interim in den Kulturpalast tatsächlich beim Hören mitvollzogen werden kann. Vier Sinfonien, darunter die berühmte 9. Sinfonie (mit den Solisten Vera-Lotte Böcker, Kristina Stanek, Bernhard Berchtold und Torben Jürgens sowie dem MDR Rundfunkchor Leipzig), sind im neuen Saal aufgenommen worden, der Rest zuvor in der Lukaskirche – ein Hörvergleich mit guter Anlage oder Kopfhörern bietet sich da an. Manche Sätze der Sinfonien konnten live aus den Konzerten mitgeschnitten werden, andere haben sich in Studio-Atmosphäre feingeschliffen und sind daher auch garantiert hustenfrei. Die Aufnahmequalitäten des neuen Kulturpalast-Saales wurden von den Tonmeistern als weltweit erstklassig eingestuft, so Philharmonie-Intendantin Frauke Roth, die am Dienstag natürlich mit einigem Stolz die Veröffentlichung als einen großen Moment in der Geschichte des Orchesters – rund zwei Jahre vor dem 150-jährigen Jubiläum und dem gleichzeitigen Beethoven-Jahr – verkündete. Wenngleich solch ein zweiter Moment sogleich im kommenden Frühjahr folgen wird, und zwar, wenn die 15 Sinfonien von Dmitri Schostakowitsch folgen werden. Eine editorische Großtat stellen beide Projekte dar, denn die konzentrierte Auseinandersetzung mit diesem Repertoire ist nicht nur für die Zuhörer ein Geschenk, sie fordert und fördert natürlich auch die Musiker selbst.

Neue Weihnachts-CD des Philharmonischen Kinderchores

Förderung ist auch ein Schlüsselwort für die zweite in dieser Woche erscheinende Aufnahme der Dresdner Philharmonie: die Liedsammlung „Am Weihnachtsbaum“, ebenfalls bei Sony Classical erschienen, wird vom Philharmonischen Kinderchor Dresden interpretiert. Nach der letzten Weihnachtsplatte, die vor gut zwanzig Jahren entstand, ist nun bereits die nächste Generation Sängerinnen und Sänger aktiv, und am Dirigentenpult stand für diese Aufnahme Gunter Berger, der den Philharmonischen Kinderchor seit sechs Jahren leitet. Bei allen existierenden Weihnachtsplatten ist diese doch ein besonderes Juwel, weil sie die hohe Qualität des Chores dokumentiert und die bekannten Weisen nicht übertrieben kitschig, sondern mit großer Natürlichkeit ans Ohr dringen, was bei dem Aufnahmedatum im Hochsommer von einer hervorragenden Vorstellungskraft der rund 140 Kinder und Jugendlichen in Bezug auf Tannenduft und Lebkuchen zeugt.

Erstmalig erklingt hier auch die Orgel des Kulturpalastes auf einem Tonträger, und der Organist Denny Wilke vermag durch die Intermezzi eigene stimmungsvolle Akzente zu setzen. Andere Arrangements sind mit Instrumentalbegleitung versehen, philharmonische Musiker und Gäste gesellen sich zum Chor hinzu, der sowohl klassische Weihnachtslieder singt, aber mit baskischen oder skandinavischen Beiträgen auch zeigt, wie Weihnachten anderswo gefeiert wird. Und wo andere Veröffentlichungen dieser Tage ein klingelndes Jubelfest feilbieten, gibt sich „Am Weihnachtsbaum“ wohltuend still und ist auf die Stimmen und Texte konzentriert – eine CD, die also nicht nur die Pflege des Kulturgutes Weihnachtslied fortsetzt, sondern die Winterabende des bevorstehenden Advents verschönern wird – Mitsingen ausdrücklich erlaubt!

  • Ludwig van Beethoven, 9 Sinfonien, Dresdner Philharmonie, Michael Sanderling (Sony Classical, 5 CDs)
  • „Am Weihnachtsbaum“, Philharmonischer Kinderchor Dresden (Sony Classical)

Die Rezensionen der bisherigen Veröffentlichungen finden sich hier:
Beethoven-Sinfonien Nr. 6, Nr. 1, Nr. 3, Nr. 5, Nr. 9

Fotos: PR Philharmonie

 

 

 

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