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Geistvolle Grenzübertritte

Bernd Alois Zimmermann trifft Joseph Haydn im Philharmoniekonzert

Ouvertüre, Konzert, Sinfonie – immer noch halten sich Konzertdramaturgen gerne an diese meist funktionierende Abfolge. Doch was macht man, wenn der Schwede Håkan Hardenberger vorbeikommt? Erste Herausforderung: er hat seine Trompete dabei – als einer der weltbesten Trompeter der Welt ist das logisch, aber natürlich ist die Klangfarbe nicht unerheblich für das zu bauende Programm. Zweite Herausforderung: er möchte gern zwei Konzerte spielen. Hintereinander. Und die dritte: die Komponisten heißen Joseph Haydn und Bernd Alois Zimmermann. Doch spätestens jetzt schnalzt man ohnehin schon mit der Zunge, denn diese Kombination hat es in sich. Und davon konnten sich auch die Zuhörer im Kulturpalast am Sonnabend überzeugen, denn die Dresdner Philharmonie mixte die Werke der beiden Komponisten sinnfällig und man konnte sowohl den Meister der Wiener Klassik neu hören als auch einen großartigen Komponisten des 20. Jahrhunderts (wieder-) entdecken. Gemeinsam haben beide, dass sie zu genauem Hinhören auffordern und sich der Reiz niemals auf das Offensichtliche oder gar Oberflächliche beschränkt.

Dass ausgerechnet die geistvolle Unterhaltung zu einem sehr komplexen Komponisten wie Zimmermann dazugehört, war vielleicht die neue Erkenntnis des Konzerts. Denn bei aller tiefgründiger Nachdenklichkeit, die das 1954 entstandene Trompetenkonzert „Nobody knows de trouble I see“ umweht, wusste Zimmermann in seinen Theater- und Hörspielmusiken, die in den 50er Jahren auch vielfach für den Rundfunk entstanden, exzellent mit Themen wie Karikatur, Humor oder Aphorismus umzugehen. Im zweiten Teil des Konzerts konnte man die fast kammermusikalisch reduzierte, aber sehr pointiert auskomponierte Puppentheatermusik „Das Gelb und das Grün“ kennenlernen.  Dem Strauss’schen Postulat, einen ausgießenden Bierhumpen vertonen zu können, setzte Zimmermann mit differenzierter Orchestrierungskunst quasi das Perlen entgegen. Allein, es braucht sehr gute und klangsinnige Musiker, um diese feinen Linien zum Schwingen zu bringen.

Mit Håkan Hardenberger als Solist in Zimmermanns Trompetenkonzert fiel das nicht schwer, da dieser mit seinem Instrument aus besonnener Ruhe heraus so ziemlich alles an denk- und undenkbaren Farben hervorbringt, und insbesondere die eher verhangenen Farben des Spirituals, die in dieser Musik eingewoben sind, gelangen ihm hervorragend. Die Synthese von Jazz und zeitgenössischer Musik ist wohl selten anspruchsvoller gelungen als in diesem Werk. Mit Karl-Heinz Steffens als (für Dima Slobodeniouk eingesprungenen) Gastdirigent am Pult der Dresdner Philharmonie stand zudem ein Experte für Zimmermanns Klangwelten zur Verfügung und es entspann sich ein intensiver Dialog zwischen Solist und der im Orchester eingebetteten Combo samt Saxophonen, E-Gitarre und Hammondorgel.

Sarah Willis und Håkan Hardenberger im Familienkonzert der Dresdner Philharmonie am 5. Mai

Dass Joseph Haydns einziges und berühmtes Trompetenkonzert diesem Musikabenteuer vorangestellt war, diente keineswegs zum Einstimmen oder Einspielen. Es zeigte vielmehr, wie unterschiedlich und dennoch gleichrangig die Herausforderungen an einen Solisten sein können und gerade in der Tonformung sollte das Haydn-Konzert, immerhin eine Pioniertat zu damaliger Zeit, keineswegs unterschätzt werden. Hardenberger spielte das mit schlichtem, fast lässigem Herangehen, was insofern auch richtig war, da Haydn hier mit einem hellen, unkomplizierten Satz aufwartet. Trotzdem blitzte eine Glätte von Perfektion hier einige Male auf, an deren Maßstab allein nicht die Eigenheit der Interpretation gemessen werden sollte. Im Orchester ging es da eher etwas bukolischer zu, denn Steffens verfolgte hier, wie auch in der das Konzert abschließenden Sinfonie Nr. 94 „Mit dem Paukenschlag“ einen fröhlich-beherzten Stil, der vielleicht in den schnellen Ecksätzen von Konzert und Sinfonie manchmal etwas flächig und dick im Klangcharakter auftrug, aber dafür zur Leistung – etwa im sehr flott musizierten, dennoch verspielten Menuett – und zum leichten emotionalen Grenzübertritt anspornte, den Haydns lebendige Musik auf jeden Fall verträgt.

Fotos (c) Oliver Killig und Marco Borggreve

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Veröffentlicht in Rezensionen

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