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Keiner bleibt allein.

Saisoneröffnung und Antrittskonzert von Marek Janowski bei der Dresdner Philharmonie

Ist es der Beginn einer neuen Ära bei der Dresdner Philharmonie? Der Saal ist eröffnet, das Jubiläum des Orchesters ist in Aussicht und nun gelingt auch noch die Wiedervereinigung mit einem Chefdirigenten, der von seiner Liebe zur Stadt und zu diesem Ensemble nicht lassen kann, sich zu den hervorragenden Musikern bekennt und mit ihnen noch einmal für zunächst drei Spielzeiten das sinfonische Terrain zwischen Haydn und Henze erkunden will. Marek Janowski hat sich für sein Antrittskonzert die 8. Sinfonie c-Moll von Anton Bruckner ausgesucht, die gleich auf mehreren Ebenen passend erscheint. Sie ist ein wirkungsvolles, strahlendes Gipfelwerk des Komponisten und trotzdem immer eine Herausforderung für die Musiker in ihrer gut achtzigminütigen Ausdehnung und zu entwickelnden Intensität. Gleichzeitig ist sie ein ideales Werk, um eine Chemie, ein im positiven Sinne des Ergebnisses zwingendes Miteinander im Ensemble herauszukitzeln.

Genau dies ist Marek Janowskis Spezialgebiet, das auf Jahrzehnten von Erfahrung mit unterschiedlichsten Orchestern aufbaut. Was die Aufführung am Sonnabend im Dresdner Kulturpalast so unverwechselbar und eindringlich machte, war zuallererst die simple Tatsache, dass diese Absicht nicht zu einer glatten Perfektion oder einem bloßen Abrufen von Vereinbartem führte, sondern zu einer hochemotionalen, frei auf dem pulsierend-natürlichen Metrum schwingenden Interpretation, bei der die Intensität im Klang selbst gesucht und gefunden wurde. Da war es gar keine Frage mehr, ob ein Tempo passend war – es war von allen gleichzeitig gefühlt, und genau daraus ergaben sich bis in eine simple Tonlänge oder einen Bogendruck hinein alle weiteren Entscheidungen, die zwar sorgfältig erarbeitet waren, aber von Janowski im Konzert teilweise nur noch minimal unterstützt oder korrigiert werden mussten.

Dann aber saß der pfeilschnelle Hinweis mit einem Zeigefinger von vorne oder einer kleinen mit der Hand gewedelten Abdämpfung, die der Dirigent sogar einmal – eigentlich mit den ersten Geigen beschäftigt – mit hellwachem Ohr über die Schulter zu den Kontrabässen warf. Diese Hingabe an das Hören ist die nächste Qualifikation, die Janowski auszeichnet und die er mit der Selbstverständlichkeit des hohen Anspruchs auch seinen Musikern entlockt: gerade in dieser Sinfonie sind ja die zahlreichen Modulationen, Kadenzen und Übergänge einzigartig zu verfolgen, aber eben nur, wenn jeder weiß, wie ein solcher Akkord gebaut wird, wo er herkommt und wie er sich fortsetzt.

Was hier im Beschreiben so simpel klingt, ist eigentlich das große Geheimnis dieser Musik, die – solchermaßen schon im Notenbild ernstgenommen – eine ungeheure Macht und Kraft zu entfalten weiß, bei der dann auch sämtliches Gehampel eines übertriebenen Wollens eher nur verzerrt. Janowski bevorzugt den sicheren Stand am Pult und hört seinen Musikern viel zu, die auf dieser Vertrauensbasis immer mehr von sich und ihren Fähigkeiten freilegen. Und was gab es da alles zu bestaunen! Der ehemalige Philharmoniker Jörg Brückner kehrte einmal mehr als Gast zur Unterstützung am 1. Horn zurück, und er veredelte gemeinsam mit dem ganzen Horn- und Tubenensemble die  Bläserpassagen, gleich ob freiliegend im Solo in schwindelnden Höhen, im Choralquartett oder in organisch angelegten Steigerungen aller.

Ähnlich souverän agierten Trompeten und Posaunen, die Janowski hier der Partitur gemäß auch räumlich dicht platziert hatte. Bereits im 1. Satz fiel die klug disponierte Dynamikarbeit des gesamten Orchesters auf. Janowski ist ja bereits saalerfahren und kitzelte in den Höhepunkten auch gern die Kante, bewahrt aber auch Ruhe für einen in Fülle verklingenden Tutti-Akkord, dem man fast beim Fliegen durch den Saal zusehen glaubt. Die ersten beiden Sätze der Achten sind bei Janowski klar, beinahe mit Händen greifbar und irdisch-direkt gestaltet. Die Musik ist so, wie sie ist, schon sensationell genug, wie etwa der erste Durchlauf vom Scherzo bewies, wo die Offenlegung keinerlei Tand mehr benötigte, aber eben Konsequenz von allen.

Spätestens im 3. Satz ist auch der Letzte im Publikum bewegt, den Bruckner möglicherweise sonst kalt läßt: Janowski kümmert sich ein ums andere Mal um einen flexiblen Streicherklang, schlingt die Stimmen und Kontrapunkte ineinander, niemand wird alleingelassen, der erste Posaunist bekommt noch einen „Zacken“ von vorne drauf und staunt über sich selbst, der beckenklingelnde Höhepunkt sitzt genau im Maß, das Ausklingen des Satzes gelingt herrlich. Im 4. Satz muss dann noch Bruckner selbst bezwungen werden: Janowski stellt das Ringen des Komponisten um den Schlusscharakter aus und hält auch beim Immer-wieder-Anrollen, das diesen Satz auszeichnet, die Spannung. Und in den mutig vorgetragenen Kommentaren der Holzbläser verbirgt sich hier sowieso unerhört Modernes. Das letzte Anrollen mündet in den finalen Exzess, den die Philharmoniker mit wissendem Genuss und großer Kraft ausbreiten. Laute Bravorufe erschallen im Rund – willkommen, Marek Janowski!

 

Fotos: Oliver Killig

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Veröffentlicht in Rezensionen

Ein Kommentar

  1. danke fürs teilhaben lassen – unsere saison bei der philharmonie beginnt am 14.09. – ich freu mich schon sehr auf herrn janowski

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