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Ein vielseitiges Ensemble

Camerata Vocale Daejeon gastierte im Dresdner Kulturpalast

Dass der Kulturpalast auch hervorragend für Chorkonzerte geeignet ist, davon konnte sich jetzt die Camerata Vocale Daejeoun unter Leitung von Winfried Toll aus Südkorea überzeugen – bei seiner Europatour machte der Chor in Dresden Station.

Seoul, das ist natürlich die Hauptstadt. Aber kennen Sie weitere Städte im dichtbesiedelten Südkorea? Als fünftgrößte Stadt des Landes mit immerhin 1,5 Millionen Einwohnern ist das im Landesinneren liegende Daejeon ein wichtiges Zentrum für Industrie und Technik – in der Selbstdarstellung der „Metropolitan City“, die Veranstalter des Chorkonzerts im Kulturpalast Dresden am Montag war, wirkt die Stadt bunt und modern, nachhaltig und zukunftsgerichtet.

Dass koreanische Musikkultur sich oft nach dem Westen ausgerichtet hat, ist kein Nachteil. Instrumentalisten aus Südkorea zählen zu den besten der Welt und sorgen für eine reiche Verbreitung klassischer Musikschätze aus Europa in der asiatischen Welt. Insofern war es nicht verwunderlich, dass die seit 1987 bestehende Camerata Vocale Daejeon nur einen minimalen Anteil koreanisch geprägter Musikkultur im Gepäck hatte, trotzdem hätte man gerne mehr davon gehört als von der teilweise spürbaren Arbeit und Anstrengung, etwa eine Bach-Motette wie „Singet dem Herrn“ sprachlich und musikalisch zu feilen.

Dafür stand mit Winfried Toll ein versierter deutscher Chordirigent zur Verfügung, der mit weichen, aber klaren Signalen seines Dirigats den Chor zu Höchstleistungen motivierte. Der Europatour war eine umfangreiche Probenarbeit vorausgegangen, das war am Ergebnis deutlich zu merken. Das Publikum im Kulturpalast erfreute sich nicht nur an dem mit zwei Stunden umfangreichen und abwechslungsreichen Programm, es belohnte die koreanischen Sänger auch mit immer herzlicherem und sich zum Ende hin steigernden Applaus.

Der gut 50-stimmige Chor begann – noch etwas aufgeregt – mit Mendelssohns „Deutscher Liturgie“ und konnte danach gleich mit Alfred Schnittkes „Drei geistliche Hymnen“ ein Highlight setzen – gleich im 1. Stück erreichte Toll ein ausgewogenes Klangbild in einer gemischten Aufstellung des Chores. Das 3. Stück erreichte vielleicht nicht die tiefe Emotionalität russischer Chöre in den Harmonien, aber bei den Steigerungen saßen die Akkorde sauber und der Chor nutzte die schöne Akustik im Kulturpalast in beide Lautstärkerichtungen hin aus.

Grenzen waren wie erwähnt etwa in der Bach-Motette erreicht, vor allem befremdeten einige Schwelltöne an den Satzschlüssen und der Choral „Wie sich ein Vater erbarmet“ war nicht frei von Zähflüssigkeit und problematischer technischer Führung der Stimmen. Da bewegte sich die Camerata Vocale mit den drei Chören von Leonard Bernstein zum Schauspiel „The Lark“ wieder auf bekannterem Terrain und war auch in der jazzigen Rhythmik mit Prägnanz zur Stelle.

In romantische Gefilde ging es wieder nach der Pause – Zigeunerlieder und Chöre von Johannes Brahms waren noch einmal Zeugnis dafür, wie versiert der Chor mit den westlichen Traditionen des 19. Jahrhunderts umzugehen weiß. Die berühmte „Waldesnacht“ scheint ein Lieblingsstück zu sein, sie gelang äußerst empfindsam und weiterhin intonatorisch sehr gut. Die Mezzosopranistin Su Yeon Hilbert steuerte dann zwei koreanische Lieder bei, damit sich der Chor ein wenig erholen konnte.

Jonathan Doves Zyklus „The Passing of the Year“ hätte man gerne vollständig gehört, dort kreierte die Camerata sehr schöne Farben in der flächigen Überlagerung der Stimmen. Schließlich gab es doch noch ein wenig koreanische Folklore zum Schluss, samt schluchzendem Pathos von einer Solo-Sopranistin („Gashiri“ handelte von einer Trennung eines Liebespaars). Doch das war so überzeugend vorgetragen, dass sich das Publikum noch zwei Zugaben erklatschte. Vielleicht darf es beim nächsten Gastspiel dann auch insgesamt ein bisschen lockerer zugehen, der Anspruch, die schwere Literatur besonders gut zu machen, ist zwar ehrbar, aber vielleicht gibt es im freien Singen noch mehr Klangpotenzial für dieses wirklich vielseitige Ensemble.

 

 

 

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