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Klare Perspektiven

Marek Janowski hat seinen Vertrag bei der Dresdner Philharmonie verlängert

Vor wenigen Tagen hat der Chefdirigent der Dresdner Philharmonie, Marek Janowski, seinen im Sommer 2022 auslaufenden Vertrag um ein weiteres Jahr verlängert – das Orchester hat seinem Angebot mit großer Mehrheit zugestimmt und auch die Stadt Dresden äußerte sich glücklich über den Umstand, dass der erfahrene Dirigent im derzeit schwierigen, von der Pandemie geprägten Fahrwasser Dresden erhalten bleibt.

Im Pressegespräch am Mittwochvormittag erläuterte Janowski seine Entscheidung, die von der Corona-Krise eher indirekt tangiert ist. Auf der Bühne im Konzertsaal, wo derzeit große Mikrofonstangen von der Fortführung der bereits im Juni begonnenen Aufnahme der Oper „Fidelio“  von Ludwig van Beethoven künden, formulierte Janowski in Zusammenhang mit der getroffenen Entscheidung eine klare Perspektive seiner Arbeit mit der Dresdner Philharmonie und wies zu Beginn darauf hin, dass er es als Verpflichtung und zwingende Voraussetzung für Entscheidungen angesehen habe, in sich selbst hineinzuhören und ein Bild der eigenen körperlichen und mentalen Verfassung zu erstellen. Das sei erfolgt und er fühle sich fit für die anstehenden Aufgaben. Dass er bis Sommer 2023 der Philharmonie als Chef vorstehen wird, habe auch mit den in den Herbst 2022 verlegten konzertanten Aufführungen des „Ring des Nibelungen“  von Richard Wagner zu tun. Damit sei ohnehin ein außerordentlicher Probenprozess verbunden, da das Orchester diese Musik ja nicht wie ein Opernorchester ständig im Repertoire habe. Zudem ist im Herbst 2022 eine Asientournee der Dresdner Philharmonie mit Janowski geplant, so dass es Sinn mache, diese Saison auch als Chefdirigent komplett auszufüllen.

Doch dem 81-jährigen Dirigenten geht es nicht nur ums Weitermusizieren, er hat auch die Zukunft des Orchesters fest im Blick. Ensembles dieser Reputation und Größenordnung denken und planen ohnehin in größeren Zeiträumen und somit ist klar, dass es eine Zeit nach Janowski geben wird, auf die durch die einjährige Verlängerung in Ruhe hingearbeitet werden kann und somit entstehe auch eine seriöse Zeitspanne der Neuorientierung und Findung, die dieses Amt benötige. Auf die Frage, wie er denn mit der Ankündigung des Endes seiner Amtszeit die Qualität hochhalten wolle, reagierte Janowski freundlich schmunzelnd: „Da machen Sie sich mal keine Sorgen, die halte ich schon hoch.“  Wen man auch fragt – in Bezug auf die präzise Darstellung des aus der Musik Geforderten, im Training des musikalischen Handwerks und somit in der sprichwörtlichen Orchestererziehung, was ja auch die langfristige Entwicklung eines Ensembles einschließt, fallen einem neben Janowski nur wenige Dirigenten von Rang ein.

Und genau dies – wenn auch derzeit ohne Publikum – ist weiterhin das tägliche Brot, mehr noch: wenn es um soziale Aspekte oder das einfache „zusammen spielen und musizieren“ gehe, sei dies in diesen Zeiten im Wert und in der Wahrnehmung bei den Musikern der Philharmonie deutlich gestiegen. Es sei außerdem ein Glücksfall, berichtete Janowski, dass der Konzertsaal momentan nicht gänzlich geschlossen, sondern etwa für Rundfunk- und CD-Aufnahmen nutzbar sei. Mit Deutschlandfunk Kultur bestehe eine gute Kooperation für Sendungen aus dem Kulturpalast und Janowski betonte auch, dass der Saal in idealer Weise für CD-Aufnahmen geeignet sei, trotz aller räumlicher Schwierigkeiten wie etwa den einzuhaltenden Abstandsregelungen. Bei den in dieser Woche stattfindenden Choraufnahmen für den „Fidelio“ befinden sich die Sängerinnen und Sänger – der Staatsopernchor Dresden ist hierbei für den von Corona-Fällen betroffenen MDR Rundfunkchor eingesprungen – im Parkett und bis auf die Ränge verteilt, damit ist der Saal quasi gefüllt. In der letzten Woche wurde außerdem eine CD-Aufnahme der beiden letzten Schubert-Sinfonien, der so genannten „Unvollendeten“ und der „Großen“, vollendet – die CD wird voraussichtlich im kommenden Frühjahr erscheinen.

Besorgt zeigte sich Janowski angesichts der nicht zu vermeidenden Zeiten klammer Kassen, auf die alle Protagonisten in der Kultur zusteuern und band darin auch Gedanken an seine Nachfolgerin oder seinen Nachfolger ein. Viel mehr als heute werde es darum gehen, das Argumentationsgewicht für die Kultur in der Diskussion um Budgets zu halten. Sehr deutlich betonte Janowski, dass das Orchester künftig mehr als unter seiner Leitung Verantwortung für die zeitgenössische Musik übernehmen soll (er vergaß dabei zu erwähnen, dass er sich stets vehement für gewichtige Komponisten des 20. Jahrhunderts wie Henze oder Messiaen eingesetzt hat). Zudem bereitet Janowski mit seiner Repertoireausrichtung auf der fundamentalen Basis der sinfonischen Literatur von Haydn bis Hindemith auch die derzeit im Orchester nachwachsende junge Generation auf künftige Zeiten vor und spricht von einer „jüngeren Denkungsart“, die das Orchester dann in programmatischer Hinsicht brauche. Seine persönliche Einschätzung wenige Tage vor dem Gründungsjubiläum der Dresdner Philharmonie fiel ebenso ehrlich („bitte unterstreichen Sie das dreimal!“) wie hoffnungmachend auf das kommende Wirken seiner Tätigkei in einer gegenseitigen Vertrauensbeziehung aus: „Dieses Orchester hat eine enorme Qualität.“

Foto (c) Markenfotografie / PR Dresdner Philharmonie

 


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