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Höchste Intensität im Willen und Können

Festkonzert „150 Jahre Dresdner Philharmonie“

Wenn schon als erster interessanten Aspekt bezüglich der speziellen Charakteristik eines Konzerts der Dresdner Philharmonie hervorzuheben ist, dass man sichergehen kann, dass im Kulturpalast kein Konzert wie ein anderes ist, so war das Konzert zum Gründungstag des Orchesters vor 150 Jahren am Sonntag sicher noch einmal etwas Besonderes. In Zeiten, wo alles anders ist, fällt um so deutlicher auf, was beständig ist, was uns fehlt, aber woran wir auch festhalten können, festhalten müssen. Musik gehört dazu, und ein Orchesterjubiläum ohne Musik wäre Marek Janowski und den Philharmonikern mit Sicherheit absolut unvorstellbar gewesen.

Und so wurden am Sonntag alle bestehenden Möglichkeiten ausgereizt, um die essentielle Basistätigkeit eines Orchesters, das gemeinsame Musizieren für ein Publikum (diesmal an Bildschirmen und vor Radioempfängern), durchführen zu können. Was sich dann aber Bahn brach, war weit mehr als ein simulierter Konzerternstfall, es war die fast unaushaltbare gleichzeitige (!) Situation des absurden Zustandes der gegenwärtigen Kulturabschaltung beziehungsweise Begegnungsunmöglichkeit gepaart mit der Fülle und Intensität im Willen und Können, die die Philharmoniker auf der Bühne des ansonsten leeren Kulturpalastes in einem Programm mit Werken von Strauss und Schubert zelebrierten. Und zwar – damit sei die seelische Musikergesundheit an diesem besonderen Tag ebenfalls gewürdigt – sowohl für sich selbst und die Gemeinschaft des Orchesters als auch für das Publikum, das immerhin durch die Übertragungen in verschiedenen Streams weltweit die Möglichkeit der Zuschaltung erhielt.

Marek Janowski

Chefdirigent Marek Janowski hatte für dieses Festkonzert nunmehr die 8. Sinfonie C-Dur, die sogenannte „Große“ von Franz Schubert sowie die auch ursprünglich für November geplante Suite „Der Bürger als Edelmann“ nach Molières Schauspiel von Richard Strauss ausgewählt. In wechselnder Besetzung spielten so rund 70 Philharmonikerinnen und Philharmoniker in diesem Konzert mit, und besonders in der Strauss-Suite kam es auf vielfältige fast kammermusikalische Kombinationen an, die aber in der neobarocken Stilweise von Strauss hochvirtuos angelegt sind. Und spätestens mit den ersten Tönen ging ein musikalisches Fest los, das von Janowski sorgsam und bis in die Details vorbereitet war, aber auch im endlichen Live-Erlebnis noch einmal das berühmte Sahnehäubchen und auch via Janowski eine klangliche Ausbalancierung und jede Menge Energie erhielt.

Schließlich kann gerade dieses schon zu Uraufführungszeiten ordentlich diskutierte Werk gräuslich kippen, wenn man, um im Bild zu bleiben, die Sahne zu heftig schlägt. Doch was man hörte, war pure Freude an der Umsetzung der Partitur und schon hier eine Einigkeit in den Orchestergruppen, die später bei Schubert Grandioses bewirkte. Mit wenigen Streichern eine solche Saftigkeit im Klang zu erreichen, ist eben nicht nur saalgeschuldet, sondern ist auch die Frucht der Abstands-Hör-Probenarbeit der letzten Monate, auf eine verrückte Art muss man konstatieren, dass die neuen Bedingungen eben auch neue gute Erfahrungen im Musizieren gebracht haben, auch wenn das Schulter-an-Schulter-Spiel natürlich etwas anderes ist. Maximalst getroffen war von Janowski auch die Tanzcharakteristik der einzelnen Sätze und auch die etwa im (famos von Wolfgang Hentrich musizierten) Violin-Solo typisch leicht übertriebene Gestik saß mit jedem Bogenstrich. Schwung und Eleganz machte die beiden Vorspiele in der Suite aus und selbst im Finale war bei aller Zitatenwirbelei von Strauss noch viel Grandezza in den Bläsern zu verfolgen.

Das allein hätte für den ersten Toast und ein Glas Sekt zum 150. genügt, aber mit Franz Schuberts „Großer“ Sinfonie bewiesen die Dresdner Philharmoniker, das sie auch einem der grandiosesten, aber niemals in der Interpretation nebenbei zu bewältigenden Werke der beginnenden Romantik gewachsen sind. In summa entstand ein in jedem Takt faszinierend zu verfolgendes Gemeinschaftswerk von Dirigent und Orchester, das mit dem wunderbar natürlich gespielten Hörnerthema begann. Dann war es die Anlage des Andante, der zwingende Übergang ins Allegro, in welchem Janowski deutlich machte, wie wichtig in dieser Sinfonie die rhythmischen Figuren. Repetitionen, Punktierungen, Einwürfe, Nebenstimmen – das bekam alles seinen Platz und seine Aufgabe und wurde von vorne aus mit flüssigen Tempi und anhaltender Leichtigkeit so ausgestattet, dass man vor allem nicht von den Wiederholungen erschlagen wurde, sondern eher in der Business-Class dieser Sinfonie mitflog. Darf es noch etwas mehr sein? Ja, denn explizit in diesem Stück kann man auch den für Schubert so typischen Posaunensatz bewundern, der hier samt Bässen fundamental, aber immer weich gespielt war.

Und auch die harmonischen Fortschreitungen, etwa im Finale des 1. Satzes oder beim tragischen Höhepunkt des zweiten, waren exzellent in der Intonation ausgeformt. Dass ich einmal in einer Rezension die absolut schöne Platzierung einer Mollterz in einem Schlussakkord (im 2. Satz) erwähnen würde, hätte ich auch nicht gedacht. Das Scherzo gelang mit sanftem Schwung, das Finale bekam über seine Fanfaren-Motivik, chromatische Wendungen und wiederum eine treibend-dramatische Motorik den überaus lebendigen Charakter, die die Interpretation zu einem Ganzen abschloss. Die absolut für diese Aufführung erforderlichen stehenden Ovationen dürften sich unerkannt in einigen Dresdner Wohnzimmern nach dem Stream abgespielt haben – ich bin mir sicher, das Publikum holt dies bei der ersten Gelegenheit im Kulturpalast nach: 150 Jahre Dresdner Phiharmonie – der Jubel ist fällig und hochverdient.

Fotos (c) Oliver Killig


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