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Persönlicher Rückblick

„Marek Janowski – Die Möglichkeit einer gewissen Distanz“, ein neues Buch über den Dirigenten Marek Janowski, versammelt sieben ausführliche und persönliche Gespräche und erschien pünktlich zu seinem 85. Geburtstag.

Der Dirigent Marek Janowski feierte am 18. Februar seinen 85. Geburtstag – ein Alter, in dem sich viele Menschen schon lang und berechtigt zur Ruhe gesetzt haben. Dank einer guten Gesundheit und auch mental ungebrochener Fitness ist Marek Janowski weiterhin auf den Bühnen der Welt präsent, kürzlich erst wieder bei der Dresdner Philharmonie zum Gedenktag-Konzert mit Dvořáks „Stabat Mater“. Mit Bedacht hat er erst im letzten Jahr den Chefposten in Dresden niedergelegt, auch um, wie er selbst einmal betonte, einen guten zukünftigen Weg freizumachen für das Orchester in allen seinen Belangen.

Marek Janowski im Kulturpalast Dresden, Foto Björn Kadenbach

Nun ist er ein gern gesehener und vom Dresdner Publikum umjubelter Gast und spricht gewissermaßen natürlich in seinen musikalischen Interpretationen. In den letzten Jahren gab es aber auch einige Gespräche mit dem Journalisten Carsten Tesch, die weiter gingen als ein verabredetes Standard-Interview und über einen längeren Zeitraum und an verschiedenen Wirkungsorten des Dirigenten geführt wurden.

Für das von Claudia Woldt nun herausgegebene Buch „Die Möglichkeit einer gewissen Distanz“ hatten sich zwei Gesprächspartner gefunden, die über das Interesse harmonieren, und man hört Marek Janowski auch an, dass er bestimmte Verläufe in seinem Leben, Zusammenhänge oder auch Phänomene über das Gespräch gerne rekapitulieren oder auch zuspitzen mag. Das bestätigt den Eindruck eines absolut kommunikativen Menschen, den man von Marek Janowski über die Jahre erhält – nicht im Sinne eines Geplappers, das läge ihm denkbar fern, sondern im Sinne einer erhellenden Unterhaltung, die sich auch oft nonverbal in seinen Proben und Konzerten ausdrückt. Die Wahl dieser Form, und nicht einer belletristisch-biographischen Annäherung an die Persönlichkeit Marek Janowski, die es im übrigen schon gibt und ebenso lesenswert ist (Wolfgang Seifert, „Marek Janowski – Atmen mit dem Orchester“, 2010), führt zu Ergebnissen, die zwar in bestimmter Hinsicht auch bekannt sind, was etwa das Handwerk der täglichen Arbeit mit einem Orchester oder mit Partituren angeht, doch Janowskis dezidierter Umgang damit fasziniert auch im Verbalen.

Denn seine nunmehr über sechzigjährige Erfahrung mit dem Korpus Orchester, der ja letztlich aus Menschen und somit vielen gemeinsam schaffenden Individuen besteht, erzeugt Haltungen und Blickwinkel, die weit über ein bloßes Hinstellen und Organisieren der Musik hinausweisen. Schon im ersten Gespräch, das in seiner letzten Chefdirigenten-Wirkungsstätte Dresden stattfand, geht es sehr schnell um psychologische Feinheiten in der Probenarbeit, um Blicke, Kontakte, Gesten und Wirkungen. Vielfach geht es auch im Dirigentenjob um Beziehungen und Entscheidungen, ob nun im Ringen um einen Takt in der Probe oder bei Verhandlungen um Konzerte oder Finanzen. An vielen Stellen blitzt der Politiker Janowski hervor, man fühlt sich aber eher an den Urgrund des Begriffes erinnert, denn Politik beschreibt ja nichts anderes als eine zielführende Regelung eines Gemeinwesens, und mehr als einmal hat Janowski, der beispielsweise beim Orchestre Philharmonique de Radio France über 16 Jahre amtierte, nicht nur zur Reifung eines Klangkörpers beigetragen, sondern auch zuvor oder währenddessen zu dessen Rettung gegen alle möglichen politischen Widerstände.

Dass man zu bestimmten Zeiten und vor bestimmten Menschen, denen offenbar Kultur und erst recht Musik gar nichts mehr galt dann mit einem Orchester, für das man verantwortlich zeichnet und Ziele im Kopf hat, sich wie ein Don Quijote vor den Windmühlen fühlen musste, erlebte Janowski ja nicht zuletzt in seiner ersten Amtszeit in Dresden, als ihm ein vernünftiger Saal für die Philharmoniker ausgeschlagen wurde. Von Resignation sind diese Gespräche jedoch weit entfernt, Janowskis wacher Geist verharrt auch in erinnernden Anekdoten nicht in einer Verklärung, sondern es gibt immer Bezüge zur Gegenwart und Konstanten, die sich auch im Musikalischen niederschlagen, so etwa seine fast magnetisch an- und abstoßende Hinwendung zur Oper, die im Fall Wagner ja beispielsweise in weltweit akklamierte konzertante Ring-Aufführungen mündete.

Und natürlich kommt auch der typisch trockene Janowski-Humor nicht zu kurz, denn mit der Herkunft aus dem Wuppertal der Nachkriegszeit bekommt man nicht nur das Herz auf dem richtigen Fleck mit, sondern auch eine „Schnauze“, die manchmal sehr direkt Dinge formuliert, für die etwa ein Wiener drei Sätze höflichsten Umweg braucht. Insofern ist die Entscheidung, dieses Buch auch als Podcast zur Verfügung zu stellen, nicht nur für Nichtleser spannend, man bekommt sozusagen die Einsichten und Haltungen auch stimmlich unterfüttert, zudem enthält der Podcast zwei zusätzliche Episoden aus Paris und Köln. Zusätzlich zeigen auch die im Buch abgedruckten schwarzweißen Fotos aus den letzten Jahren die Persönlichkeit des Dirigenten auf ganz eigene, intensive Art.

Mit dem Titel „Die Möglichkeit einer gewissen Distanz“ wiederum eröffnet einen ganzen Kosmos bei Janowski, der sich sowohl auf ein Gespräch, eine musikalisch gewinnbringende Arbeit oder schlicht einen interessanten Gegenstand beziehen mag – möglicherweise liegt in dieser Formulierung ein Credo des Künstlers Janowski. Auch dieser Artikel könnte nun sehr lange das neue Buch besprechen und auseinandernehmen, aber hält nun ebenfalls den Appetit in der gewissen Distanz – lesen und hören Sie selbst!

Marek Janowski – Die Möglichkeit einer gewissen Distanz
Schott Verlag Mainz, 1. Auflage, 2024, 178 Seiten, 24,40 Euro

zum Podcast bei Spotify

 

 

 


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Veröffentlicht in Dresden Features Rezensionen

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