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Mozart statt Torte

Sir Colin Davis „zum 85. Geburtstag“ im 10. Sinfoniekonzert

Donnerblech und Amboss schwiegen am Sonntagvormittag in der Semperoper; große romantische Dramen und die Entfaltung von Welt- und Künstlerphilosophien blieben vor der Tür. Damit schrumpfte auch die Orchesterbesetzung für das 10. Sinfoniekonzert, nur ein Komponist stand auf dem Programm, dessen Kompositionsweise sich durch unglaubliche Vielfalt in der Ökonomie der Mittel auszeichnet: Wolfgang Amadeus Mozart, dessen Handschrift uns selbst in vermeintlich bekannten Werken immer wieder begeistern und überraschen mag, steht denn ein kundiger Interpret vor der Partitur und weist allen Musikern den rechten Weg.

Für ein Mozart-Programm bei der Staatskapelle Dresden braucht es keiner großen Überlegung, wer denn da einzuladen sei. Und einladen läßt sich Sir Colin Davis gerne, denn hier gilt es eine lang gewachsene Freundschaft zu pflegen, für die der Titel des „Ehrendirigenten“ seit 1990 nur den äußeren Rahmen bildet. Viele große Abende, darunter auch Gedenkkonzerte zum 13. Februar, mit dem „Sir“ sind in präsenter Erinnerung. Davis vermochte – seit 1981, als er zur Aufnahme der späten Mozart-Sinfonien erstmals mit der Kapelle musizierte – nicht nur eine Musiker-Freundschaft über Mozart herzustellen, sondern stellte dem Dresdner Publikum in den vergangenen Jahren vor allem Werke von Jean Sibelius, Hector Berlioz sowie britische Sinfonik in farbig schillernden Interpretationen vor.

Im 10. Sinfoniekonzert der laufenden Saison genügte ein ausgesucht feines Mozart-Programm, um das Publikum am Ende zu stehenden Ovationen zu begeistern. Eine kleine Entdeckung war die selten zu hörende „Serenata Notturna“ D-Dur KV239, die mit souverän geführter Feder des 19jährigen Komponisten im damaligen Geschmack der Fest- und Gelegenheitswerke steht. Unter Davis sparsamer und freundlicher Leitung war die Kapelle mit einem Favoritquartett (Roland Straumer, Reinhard Krauß, Michael Neuhaus und Andreas Wylezol) gut aufgelegt, gelegentlich schimmerte noch etwas Respekt vor diesem leichtfüßig-offenliegendem Werk durch den Kapellklang.

Im Violinkonzert D-Dur KV218 steigerte das Orchester gemeinsam mit Davis und dem – den Kapellkonzertgängern wohlbekannten – Solisten Nikolaj Znaider die Musizierlust. Znaider wirkte nur im 1. Satz ein wenig unruhig, wusste aber dann im Andante mit Kantabilität und schöner Stimmführung zu überzeugen, auch die Kadenzen versah er mit silbrigem Glanz und formte gemeinsam mit dem Orchester eine facettenreiche Interpretation. Hier war schon zu bewundern, wie einig die Musiker mit dem Dirigenten Phrasen gestalteten und sich die Themen und Verläufe selbstverständlich und mit Wissen um Einschwingen und Auspendeln darstellten.

Dieser unangestrengt musikantische Stil kam dann in der Sinfonie g-Moll KV550 zur vollen Entfaltung, bei dem auch das stürmische Finale stets in eleganter Kleidung erschien. Davis nahm begeisternden Applaus entgegen, und machte sich zum im September zu begehenden 85. Geburtstag in diesem Jahr bereits das schönste Geschenk selbst: Statt Torten und Blumen – Mozart mit der Staatskapelle.

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