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Mit einem konzertanten „Ring“ in die Zukunft

Dresdner Philharmonie stellt neue Konzertsaison vor

„Die Ring Saison“ – so prangt es unmissverständlich auf dem neuen Jahresprogrammheft der Dresdner Philharmonie, und das Großprojekt des konzertanten „Ring des Nibelungen“, der Operntetralogie von Richard Wagner, das Chefdirigent Marek Janowski im September und Oktober leiten wird, steht natürlich im Mittelpunkt des Geschehens der nächsten Saison. Für den 83-jährigen Janowski, der vor rund vierzig Jahren die legendäre Ring-Aufführung im Kulturpalast dirigierte und für die Schallplatte aufnahm, schließt sich damit ein Kreis – die kommende Saison bei der Dresdner Philharmonie wird seine letzte als Chefdirigent sein.

Pandemiebedingt schieben sich nun weitere Höhepunkte auf diese Saison zusammen, so dass die Janowski-Fans mit Anton Bruckners 9. Sinfonie zur Saisoneröffnung und Werken von Henze, Britten, Berg und Strauss sowie Beethovens Neunter zu Silvester voll auf ihre Kosten kommen werden, bevor sich Marek Janowski im Sommer 2023 mit der monumentalen 5. Sinfonie B-Dur von Anton Bruckner im Dresdner Kulturpalast verabschieden wird. Als hochwillkommener Gast wird er hoffentlich wiederkehren, so wie es nächste Saison auch Michael Sanderling (mittlerweile Chefdirigent beim Luzerner Sinfonieorchester in der Schweiz) mit Gustav Mahlers 2. Sinfonie, der „Auferstehungssinfonie“ tut.

Julia Weisberg, Annekatrin Klepsch und Frauke Roth bei der Saisonvorstellung am 3. Juni 2022 im Kulturpalast Dresden

Doch bei der Vorstellung der Saison im Kulturpalast war eher nicht von Aufhören und Abschied die Rede, als vielmehr von Aufbruch und Neubeginn. In den letzten zwei Jahren hat die Musik bekanntermaßen zu lange und zu oft schweigen müssen, so dass Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch und Intendantin Frauke Roth nun hoffnungsvoll auf eine möglichst störungsfreie Saison vorausblickten. Klepsch gratulierte dem Orchester zu seinen Erfolgen in den ersten fünf Jahren im Kulturpalast und betonte, dass die Dresdner Philharmonie auf dem Weg in die Zukunft im Sinne eines modernen Ensembles auch die Selbstbefragung pflege. Dazu war natürlich auch in den letzten zwei Jahren genügend Gelegenheit, während Janowski und die Philharmoniker wirklich auch alle Möglichkeiten der Hör- und Sichtbarkeit trotz einem verordnetem Nichts ausnutzten. Einige Neuerungen werden nun für die kommende Saison umgesetzt.

Die Philharmonie gibt sich weiterhin in dieser fühlbaren „neuen Normalität“ experimentell und versucht den veränderten Bedingungen Kreatives und Interessantes entgegenzusetzen. Die erwähnten Schwerpunkte einer „digitalen Umwälzung“ und des „Audience Development“ sind natürlich keine neuen Erfindungen, eher versucht die Dresdner Philharmonie sich den Entwicklungen kontinuierlich anzupassen, um Publikum zurückzugewinnen oder neues in den Kulturpalast zu locken. Eine neue, intuitiv bedienbare und schnell zum Ziel und damit zum Ticket oder konzertbegleitenden Inhalten führende Website gehört ebenso dazu wie die Anerkenntnis, dass ein Teil des Publikums eben sein Programmheft lieber auf dem Smartphonebildschirm scrollt anstelle dafür dicke Hefte zu lesen (das bekannte Geräusch, wenn in der Aufführung eines chorsinfonischen Werkes alle an der gleichen Textstelle im Heft blättern müssen, wird damit der Vergangenheit angehören…)

Oder aber: es hört sich gleich dazu einen Podcast an, die es schon seit längerer Zeit auf der Website gibt. Hören ist schließlich die Kernkompetenz des Philharmonikerpublikums und so kann man sich auf der Tramfahrt in Richtung Konzertabend mit Knopf im Ohr schon in Richtung Beethoven & Co. weiterbilden. Dass Kanäle wie Youtube und Instagram heutzutage selbstverständlich zum Kulturoutput eines Orchesters dazugehören, ist nicht nur Zugeständnis an eine jüngere Generation, und man unterschätze die Älteren keineswegs, die mittels QR-Codes schon längst ihre Schnäppchen im Supermarkt erscannen!

Dass bei den jungen Menschen das große Potenzial für das zukünftige Publikum liegt, ist ebenfalls keine neue Erkenntnis, und doch darf sie gerade bei der Dresdner Philharmonie als Erfolgsgeschichte erwähnt werden – denn die ersten wieder vollbesetzten Konzerte nach der Pandemie waren die Schulkonzerte. Neben den beliebten Familien- und Schulkonzerten mit „Phili“ und Malte Arkona wird es in der nächsten Saison auch „casual“-Kurzkonzerte namens „abgeFRACKt“ geben (hoffentlich werden die Konzerte so witzig wie dieses Wortspiel…).

Für Menschen, die noch nie in einem Konzert waren, erscheint dies als eine ebenso gute Gelegenheit der Stippvisite wie auch für diejenigen, die einmal für eine gute Stunde in ein Stück tiefer eintauchen wollen. Die enge Beziehung zum Dresdner Publikum im Kulturpalast soll künftig auch durch eine Umgestaltung des Foyers mit neuem Café und einer für spontane Darbietungen geeigneten zweiten Bühne gestärkt werden. Und was wird gespielt? Natürlich, der „Ring“ wird auch das Orchester bis an seine Grenzen fordern, aber Cellist Daniel Thiele erwähnte auch, dass einen ganzen Ring einmal im Leben gespielt zu haben (wenn man nicht gerade jedes Jahr in Bayreuth sitzt, was nicht allen sinfonisch tätigen Musikern vergönnt ist) zu den Höhepunkten eines Musikerlebens gehört.

Neben Wagner darf man sich auf große Sinfonik wie Mahlers 9. Sinfonie (mit Kent Nagano) oder Brahms‘ 3. Sinfonie (Lawrence Foster) oder selten Gespieltes von Zemlinsky, Ligeti oder Nielsen freuen – zudem kehren viele bekannte Gesichter an das Pult der Dresdner Philharmonie zurück: Cristian Macelaru ebenso wie Stéphane Denève, Dima Slobodeniouk oder Thomas Dausgaard. Dass man mehr von dem spannenden Pianisten Francesco Piemontesi hören wird (Artist in Residence), dürfte ebenso viele Zuhörer freuen wie die Doppelresidenz des mit farbenfrohen Kompositionen aufwartenden Franzosen Thierry Escaich als Palastorganist und Composer in Residence.

Hingegen werden Donald Runnicles, Kerem Hasan, Elim Chan und zahlreiche weitere Künstler:innen ihr Debut im Kulturpalast geben, wobei sich natürlich – so Frauke Roth auf Nachfrage – potenzielle Kandidat:innen für den Posten der Chefdirigentin oder des Chefdirigenten ab Herbst 2023 bei der Philharmonie schon die Klinke in die Hand geben: Orchester und Leitung des Ensembles sind auf der Suche, Roth und Klepsch betonten aber auch einmütig, dass der Prozess intensiv geführt würde mit der Zielausrichtung, eine außerordentliche Persönlichkeit für das Musikleben der Stadt zu gewinnen, bei der vor allem die Ressource Zeit vorhanden sei – ein gutes Zeichen, dass man bei der Dresdner Philharmonie sehr daran interessiert ist, die Intensität und Qualität der mit Sanderling und Janowski im Kulturpalast begonnenen Arbeit auch künftig beizubehalten.

  • neue Website mit dem kompletten Programm der neuen Saison, allen Formaten und der Mediathek: http://www.dresdnerphilharmonie.de
  • der Vorverkauf für Abos und Wahlabos beginnt am 7. Juni 2022 um 10 Uhr. Der freie Vorverkauf startet am 4. Juli 2022 um 10 Uhr.

Fotos (c) Alexander Keuk


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Veröffentlicht in Dresden Features

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